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Leere Herzen

Leere Herzen

Roman

Info

Sie sind desillusioniert und pragmatisch, und wohl gerade deshalb haben sie sich ‎erfolgreich in der Gesellschaft eingerichtet: Britta Söldner und ihr Geschäftspartner Babak Hamwi. Sie haben sich damit abgefunden, wie die Welt beschaffen ist, und wollen nicht länger verantwortlich sein für das, was schief läuft. Stattdessen haben sie gemeinsam eine kleine Firma aufgezogen, "Die Brücke", die sie beide reich gemacht hat. Was genau hinter der "Brücke" steckt, weiß glücklicherweise niemand so genau. Denn hinter der Fassade ihrer unscheinbaren Büroräume betreiben Britta und Babak ein lukratives Geschäft mit dem Tod.

Als die "Brücke " unliebsame Konkurrenz zu bekommen droht, setzt Britta alles daran, die unbekannten Trittbrettfahrer auszuschalten. Doch sie hat ihre Gegner unterschätzt. Bald sind nicht nur Brittas und Babaks Firma, sondern auch beider Leben in Gefahr...

"Leere Herzen" ist ein provokanter, packender und brandaktueller Politthriller aus einem Deutschland der nahen Zukunft. Es ist ein Lehrstück über die Grundlagen und die Gefährdungen der Demokratie. Und es ist zugleich ein verstörender‎ Psychothriller über eine Generation, die im Herzen leer und ohne Glauben und Überzeugungen ist.

Pressestimmen

»Juli Zeh kann erzählen, und wie!«
Martin Ebel / Der Bund, 12.01.2018
»Ein spannendes und wunderbar geschriebenes Buch«
Kristian Thees / SWR 3, 05.01.2018
»Mal wieder ist es Zeh gelungen, ihre klugen Gedanken über die Widersprüche in unserer Gesellschaft literarisch so miteinander zu verknüpfen, dass ein spannender Roman daraus entstanden ist.«
Jacqueline Thör / ZEIT ONLINE, 13.11.2017
»›Leere Herzen‹ ist ein Thriller am Puls der Zeit, der die richtigen Fragen stellt.«
Nadine Kreuzahler / rbb Inforadio, 12.11.2017
»Ein fesselnder Thriller, aber auch - typisch Juli Zeh - mit einem Anliegen: Was passiert, wenn man die Stimmung, die im Land herrscht, weiterdenkt?«
Natascha Geier / NDR Fernsehen Kulturjournal, 12.11.2017
»Das ist das Sittenbild einer aus den moralischen Fugen geratenen Gesellschaft.«
Johannes Kaiser / hr2-kultur, 12.11.2017
»Ihr neues Werk ist ein Politthriller über das Business mit dem Tod. Beängstigend gut!«
Cosmopolitan, 12.11.2017
»Spannend und beklemmend zugleich. Was für ein Szenario! Sarkasmus pur, eine Warnung oder nichts als Satire?«
Felicitas von Twickel / ZDF aspekte, 09.11.2017
»Ich wünsche, dass ›Leere Herzen‹, der neue Roman von Juli Zeh, an den Erfolg von ›Unterleuten‹ anknüpfen kann. Literarisch ist das ohne Frage der Fall.«
Denis Scheck / ARD Das Erste druckfrisch, 29.10.2017

Leserstimmen

(Durchschnittliche Bewertung / 43 Kundenrezensionen)
Was Silke liest, 11.03.2019
Juli Zeh "Leere Herzen"
Nachdem dem hervorragenden Roman „Unterleuten“ konnte es eigentlich nur schlechter werden. Doch welch Überraschung: „Leere Herzen“ spielt mindestens in der gleichen Liga! Ich habe das Buch an einem Abend verschlungen. Braunschweig 2025: Britta Söldner und ihr Geschäftspartner Babak Hamwi betreiben eine gutlaufende Praxis für Suizidgefährdete, genannt „Die Brücke“. Doch keiner weiß, dass nicht die Heilung der Patienten das Ziel ist, sondern Britta und Babak ein sehr lukratives Geschäft mit dem Tod betreiben. Als plötzlich ein lästiges Konkurrenzunternehmen auftaucht, ist nicht nur die angebliche Heilpraxis sondern auch das Leben der beiden Inhaber in Gefahr … „Leere Herzen“ ist eine gesellschaftskritische Mischung aus dystopischem Polit- und Psychothriller. Juli Zeh beschreibt eine düstere Zukunftsvision, bei der die Menschen nicht mehr zur Wahl gehen und die Partei „Besorgte-Bürger-Bewegung“ – unter anderem mit ihrer Innenministerin „Wagenknecht“ - das Land regiert. Die nicht allzu ferne Zukunft wird zwar etwas überspitzt, aber doch glaubwürdig dargestellt. Die Autorin will ihre Leser wachrütteln. Sie zeigt, wie unser Leben aussehen könnte, wenn niemand mehr Verantwortung in der Gesellschaft übernimmt und sich Politik und Wahlen verweigert. Sie hält ihren Lesern den Spiegel vor, denn schon zu Beginn heißt es: „Da. So seid ihr.“ Mit ihrem raffinierten und flüssigen Schreibstil hat mich Juli Zeh sofort eingefangen. Sie versteht es Spannung aufzubauen und diese von Kapitel zu Kapitel zu steigern. So fiebert man Seite um Seite der Enthüllung der Geheimnisse um die „Brücke“ entgegen. Mit „Leere Herzen“ ist es der Autorin wieder gelungenen einen spannenden, provokanten, und sogar schockierenden Roman abzuliefern, der zum Nachdenken anregt. Ich kann dessen Lektüre nur ausdrücklich empfehlen!!!
Caroline Schultz, 17.10.2018
Gänsehaut beim Finale
Juli Zeh hat eine besondere Begabung dafür, Bücher zu schreiben, die erstens völlig überraschen und zweitens fesselnd und spannend bis zur letzten Seite sind. Dabei hat jedes ihrerer Werke eine ganz eigene Daseinsberechtigung, obwohl sie alle untrennbar mit unserer Gesellschaft und der Rolle der Menschen darin verbunden sind. Inhalt In "Leere Herzen" geht es um eine fiktive nahe Zukkunft im Jahr 2025. Angela Merkel ist längst nicht mehr im Amt, Donald Trump hingegen ist unvermutet Retter auf internationalem Parkett. Das Besorgte-Bürger-Bündnis schafft nach und nach jegliche Form von Mitbestimmung und Demokratie ab, und so geht es weiter... In dieser Gesellschaft hat sich die völlig desillusionierte und pragmatische Britta Söldner und ihr Geschäftspartner Babak Hamwi erfolgreich eingerichtet. Die ausgebildete Heilpraktikerin ist mit Richard verheiratet, Mutter einer Tochter und bietet in ihrem Therapiezentrum "Die Brücke" eine besondere Form der Behandlung an. Doch niemand ahnt, was hinter dieser Fassade wirklich geschieht. Tatsächlich betreiben Babak und Britta ein lukratives und gefährliches Geschäft mit dem Tod. Ehemann Richard ist mit seinen Geschäften wenig erfolgreich, so dass er auf Britta, die für das Familieneinkommen sorgt, angewiesen ist. Eines Tages geschieht das unvermeidliche, "Die Brücke" bekommt unliebsame Konkurrenz und schließlich geraten Babak, Britta und ihre Familie in Lebensgefahr. Ich möchte hier lieber nicht mehr verraten, denn ich finde diese Buch liest sich am besten, wenn man es ein wenig unbedarft und ohne große Erwartungen in die Hand nimmt. Dann findet man auf jeder Seite Anspielungen und prägnante Sätze die allzu treffend sind für die momentane gesellschaftliche Situation und den Weg den wir scheinbar eingeschlagen haben. Juli Zeh ersinnt eine Dystopie, die erschreckender Weise überhaupt nicht absurd, sondern völlig nachvollziehbar und denkbar ist. Trotzdem bleibt sie jederzeit klar in ihrer Haltung und appelliert mit dem Roman vor allem an unsere eigene politische Verantwortung. Was ist uns unsere Demokratie wert, was sind ihre Grundpfeiler und wie können wir diese schützen? Bestimmt nicht, in dem Menschen aus Desinteresse den Wahllokalen fernbleiben. Der Buchtitel "Leere Herzen" hat in der Geschichte einen konkreten Bezug zur Handlung, dient aber gleichzeitig als Metapher für eine deutsche Gesellschaft voller gleichgültiger, leidenschaftsloser und oberflächlicher Menschen. Es mag Stimmen geben, die sagen, dass andere Bücher von Juli Zeh besser gefallen; Ich mag bisher jedes ihrer Bücher sehr und finde, dass jedes Einzelne eine eigene Aufgabe hat und für sich allein sprechen kann und wie der Volksmund so schön sagt, man kann Äpfel nicht mit Birnen verglichen. (z. B. auch das hier: Nullzeit) Fazit Ein Buch das ich hiermit vollständig und nachdrücklich empfehlen möchte.
tinaliestvor, 16.09.2018
Wollen wir in einer solchen Zukunft leben?
Britta und Babak führen ein erfolgreiches Unternehmen. Die als Therapiepraxis getarnte Selbstmordagentur könnte nicht besser laufen. Ihr Geschäftskonzept, gezielt Selbstmörder an den bestehenden Bedarf zu vermitteln, gelingt dank Babaks Algorithmus Lassie spielend leicht. Die Liste der potentiellen Kunden ist lang, das Auswahlverfahren, welches Britta wie auch Babak selbst durchlaufen haben, hart. Doch plötzlich gibt es scheinbar Konkurrenz am Markt und die Welt der beiden gerät aus den Fugen. Während sich Brittas Mann plötzlich dank eines noblen Investors mit seiner eigenen Firma endlich am Ziel sehnt, erkennt Britta viel zu spät den wahren Grund des scheinbar selbstlosen Geldgebers. Für Britta beginnt damit eine Zeit des Zweifels und für Babak ungeahnte Zeit zur Suche nach sich selbst. Über Flucht, Angst und dem brennenden Wunsch nach mehr Demokratie zerreißt es fast dieses innige Band an Freundschaft. Doch dann tritt unerwartet Julietta wie aus dem Nichts aus und sieht sich als erstklassige Absolventin des 12 Stufenprogrammes auch als Retter dieser Freundschaft. Im Deutschland der Juli Zeh herrschen andere Mächte. Die Menschen sind der Demokratie überdrüssig und die Machthaberhin herrscht konkurrenzlos. Doch sollte man immer an den kleinen Funken Hoffnung glauben, der sich nach dem Guten im Menschen. Ganz besondere Sehnsucht liegt in der einzig richtigen Entscheidung, die ein Mensch trifft. Möchten wir in so einer Zukunft leben? Sollten wir als Leser nicht erschrocken sein, von einer Zukunft zu lesen, in der potentielle Selbstmörder für lukrative Geschäfte zur ultimativen Umsetzung einer Botschaft eingesetzt werden. Ist es nicht traurig, dass sich die Menschen überhaupt keine Gedanken mehr über ihr politisches Leben und ihr Erbe an die Zukunft machen? So einfach die Geschichte dem Leser am Anfang erscheinen mag, so kompliziert wird sie bei der Betrachtung von Brittas Familie und deren Freunde sowie Babaks Leben in einer Welt voller Versteckspiel und Selbstverachtung.
Sabine Delorme, 08.09.2018
Leehre Herzen - Juli Zeh
OK – vielleicht nicht jeder, aber schon eine ganze Reihe Leute. Fast konnte man den Eindruck haben, wer „Unterleuten“ liebte, war schwer enttäuscht vom dystopischen „Kalte Herzen“. Mir haben beide Bücher gefallen. Ein dystopischer Thriller der in der sehr nahen Zukunft spielt und erschreckend realistisch wirkt. Angela Merkel verliert die Wahlen und die „Bewegung Besorgter Bürger“ kurz BBB genannt gewinnt mehr und mehr Einfluß und stellt sogar die neue Kanzlerin Regula Freyer. Der BBB infiltriert nach und nach sämtliche demokratischen Bereiche und verschlankt den Staat auf ein Mimum, ganz und gar dem Effizienz-Gott huldigend und scheint dabei oberflächlich auch einige Gute Sachen zu schaffen: Das bedingungslose Grundeinkommen für alle ist da und garantiert einen einigermaßen ausreichenden Lebensstandard, die Terrororganisation Deash sinkt immer weiter in die Bedeutungslosigkeit und hat die Terrorangst weitestgehend vergessen lassen, der Krieg in Syrien ist beendet und sogar Israel und Palästina haben sich auf eine Zwei-Staaten-Lösung einigen können. Und dennoch braut sich was zusammen in diesem Deutschland im Jahr 2025. Die Menschen haben keinerlei Prinzipien mehr und sind eigentlich nur noch zynisch. Politische Desillusioniertheit und eine gewisse Lethargie verbreiten sich. Jeder kümmert sich nur noch um sich selbst, das Gemeinwohl geht den Bach runter und mehr und mehr Leute wählen die Sicherheit und Waschmaschine statt Demokratie. Britta Söldner lebt ein Doppelleben. Auf der einen Seite ist sie Ehefrau und Mutter in Braunschwein lebend mit Freunden und einem guten Leben. Mit ihrem Geschäftspartner Babak leitet sie eine sehr erfolgreiche psychiatrische Praxis „Die Brücke“ ein Zentrum für „Life-Coaching, Self-Managing, Ego-Polishing“, das sich auf die Heilung von Selbstmordkandidaten spezialisiert hat. Tatsächlich heilen sie auch eine ganze Reihe von Menschen von ihren Selbstmordabsichten. Die die sich allerdings nicht heilen lassen, vermitteln sie sehr erfolgreich und lukrativ an unerschiedliche Terrororganisationen. Terror als saubere Business-Transaktion mit überschaubaren kalkulierbaren Risiken. Alles läuft gut, bis eines Tages ein Konkurrent im Markt auftaucht und dann ist da noch das zunehmend schlechte Gewissen, dass Britta Söldner mehr und mehr zu quälen scheint. Die Geschichte ist ein leidenschaftlicher Appell für unsere demokratischen Prinzipien zu kämpfen, es geht um die Sinnsuche im Leben und Juli Zeh gelingt es mühelos Gesellschaftskritik in einem cleveren psychologischen politischen Thriller zu einem spannenden brandaktuellen Buch zu verbinden. Ein rasantes Leseerlebnis, das mich noch länger beschäftigen wird und definitiv zum Nachdenken anregt. Bei Buchrevier findet sich eine weitere positive Besprechung, Masuko13 und Zeilensprünge waren nicht so angetan wie ich 😉 Hier ein spannendes Interview von Dennis Scheck mit Juli Zeh zu ihrem neuen Roman:
der Michi, 28.08.2018
Man möchte mit dem Finger auf so viele Stellen zeigen.
Juli Zeh denkt aktuelle Entwicklungen nur geringfügig weiter, was die Satire-Anteile schon mal erfreulich auf das wenigste reduziert. Das Verhalten der Menschen nach der demokratischen Wahl einer radikal konservativen Partei ähnelt beobachteten Verhaltensweisen der letzten beiden deutschen Diktaturen: Mitmachen, kämpfen oder unauffällig anpassen. Und ja, einige Errungenschaften jener fiktiven Regierung wirken auf den ersten Blick verführerisch attraktiv, schließlich will jeder irgendwie Krieg und Stabilität, je nach ideologischem Belieben. Aber sie rufen auch andere Kräfte auf den Plan, die mit der Situation auf ihre eigene Art umgehen. Eigentlich geht es hier aber mehr um Britta und das, was die Welt mit ihr anstellt. Und sie mit ihr. Die belehrende Meta-Ebene anderer Zeitgeistpropheten erspart sich die Autorin zum Glück, sondern entwirft stattdessen ein konkretes Szenario, das für sich spricht. In dieser Gesellschaft haben sogar Selbstmörder noch einen Verwendungszweck und Brittas Firma "Die Brücke" macht sich das zunutze. Hier gibt es weniger wütende Anfragen unzufriedener Systemopfer an einen gefühlten Unrechtsstaat, die Möglichkeit der Existenz eines Unternehmens wie der "Brücke" - und ihrer Mitbewerber - sagt genug. Damit es nicht langweilig wird, schwingt immer noch ein Eckchen Politthriller mit. Vor allem im letzten Drittel, als Britta sich einer größeren Bedrohung gegenüber sieht, auf die sie reagieren muss, gibt es manche packende Szene, wie sie das Buch bei häufigerem Einsatz auf den ersten Blick noch ein wenig attraktiver, gleichzeitig aber auch banaler gemacht hätte. Denn die Spannung speist sich schon aus der Lage, in der sich das Deutschland dieser nahen Zukunft befindet und dem Widerspruch zwischen scheinbarem Eigensinn und still akzeptierendem Mitläufertum. Vor allem die Nichtstuer sind es, denen Juli Zeh das fortschreitende politische Desaster anlastet, welches Innenministerin Wagenknecht und die Partei BBB (Besorgte-Bürger-Bewegung) verursachen. Am Ende muss sich jeder Leser selbst fragen, wer die leeren Herzen hat. Es erschüttert, ist unbequem und sehr direkt in seiner Aussage. Es wird nicht jedem gefallen, auch wenn man anhand des Klappentexts schon mit einer harten Dystopie gerechnet hat. Weitere Genrezutaten, wie es Teresa Hanning kürzlich in "Die Optimierer" versucht hat, hat Zeh nicht nötig, denn die klare und doch literarisch hochwertige Sprache vermittelt, was gesagt werden muss. Ein guter Roman, der manchen allzu auffälligen Seitenhieb nicht nötig gehabt hätte.
floskel, 27.08.2018
Niemand sonst kann so gut den Spiegel vorhalten
Geil, geil, geiles Buch! Ich war ja eher skeptisch, nachdem ich mitbekommen habe, dass es den meisten hier nicht so gut gefallen hat. Aber: Ich fand's großartig! Nicht ganz so großartig wie Unterleuten, klar, aber dennoch wirklich gut gelungen. (Nur den "Manufactum"-Schmäh zu Beginn fand ich echt zum Augenrollen, den gab's bei Altes Land von Dörte Hansen schon gefühlt hundert Mal... Gäääähn!) Warum? Nun ja, Juli Zeh ist mit dieser Dystopie mal wieder voll auf der Höhe der Zeit. Und das Szenario, das sie entwirft hat mich das ein oder andere Mal denken lassen: "Was für eine geile Idee!" - weil die dystopischen Elemente (allem voran die Firma und von Britta und Babak) und die daraus resultierende Kritik so vielschichtig ist. So frech. So gut (gesellschafts-)kritisch. So direkt. So unverblümt. Und dabei so, so packend! „Da. So seid ihr.", lautet die Präambel und ja. Ja, ja, ja!! So sind wir!!! Hier kriegt echt jeder sein Fett ab. Lachen, innehalten, schmunzeln, gerührt sein, wütend sein, Kopf schütteln, dann wieder nicken, erleichtert sein, gespannt sein und vor allem: fasziniert sein - das alles hat Juli Zeh mit diesem Buch bei mir ausgelöst. Chapeau! (Fast) niemand sonst kann so gut den Spiegel vorhalten, finde ich. Und hier noch eine meiner Lieblingsstellen: "Vor ein paar Jahren gab es eine Umfrage", sagt Britta. „Die Leute wurden gefragt, was sie tun würden, wenn sie sich zwischen dem Wahlrecht und ihrer Waschmaschine entscheiden müssten." "Was kam raus?" "Siebenundsechzig Prozent wählten die Waschmaschine. Fünfzehn Prozent waren unentschieden."
Bücherheike, 09.08.2018
Eine erschreckend logische Aussicht auf die Zukunft
“Leere Herzen” ist mein erstes Buch von Juli Zeh. Schreibt sie immer so? So intensiv? So bildhaft? So verdammt realistisch? Juli Zeh war plötzlich überall. Ich habe ständig von ihr gehört oder gelesen. Mit “Unterleuten” hat sie so viel Lob und so viele Preise eingeheimst, dass ich unbedingt etwas von ihr lesen wollte. Dann war plötzlich “Leere Herzen” da. Dieses Cover! So schlicht und einfach. Sie bekam Vorschusslorbeeren und ich wusste, das Buch musst du lesen. Also habe ich mir ein Rezensionsexemplar erbeten. Es dauerte dann noch etwas, aber jetzt habe ich es gelesen und ich bin begeistert. Laut Klappentext ein provokanter, packender und brandaktueller Politthriller. Ja, das ist es und noch so viel mehr. Juli Zeh zeigt hier eine Aussicht auf die Zukunft, die so realistisch und fast logisch ist, dass es mir beim Lesen manchmal etwas Angst gemacht hat. Ist es das, worauf wir hinsteuern? Ist das unsere Zukunft? Ich möchte mit “Ja” antworten und dann auch wieder mit “Nein”. Was ist richtig? Was ist falsch? Wie viel Einfluss haben wir überhaupt noch auf diese Entscheidung? Ist vielleicht schon alles entschieden? Können wir das Ruder noch herumreißen? Den Wahnsinn stoppen? Ein Satz ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: Demokratieverdrossene Nicht-Wähler gewinnen Wahlen, während engagierte Demokraten mit dem Wählen aufhören. Wie gut tut uns diese “Ich gehe nicht wählen, es ändert sich ja doch nichts”-Mentalität? Die Nichtwähler meckern später am lautesten. Haben zu allem eine Meinung und sorgen für schlechte Stimmung. Die Wähler resignieren, weil sich wirklich nichts ändert. Die Trotzwähler haben eine Macht, die zu erschreckenden Ergebnissen führt, die hinterher keiner wollte. Die Regierung trifft Entscheidungen, die für alle unlogisch sind, weil sie keiner erklärt. Alles dreht sich im Kreis. Am Ende führt es vielleicht zu einer Zukunft, die Juli Zeh hier so drastisch und bildlich beschreibt, dass es einem Schauer über den Rücken laufen lässt. Es ist nur ein Buch. Nur eine Geschichte. Aber eine, die nachdenklich macht. Machen sollte. Ich finde das Buch genial. Fantastisch geschrieben. Das Buch hat mich nachdenklich gemacht. Schlaflos, weil ich es nicht aus der Hand legen konnte. Es kommt zwar ohne erhobenen Zeigefinger, aber mehrmals musste ich mir sagen, es ist nur eine Geschichte.
Jolanda Fäh, 30.07.2018
Was morgen sein wird, wird uns nicht gefallen
"Leere Herzen" von Juli Zeh ist treffende Analyse einer Gesellschaft, in welcher sich jeder selbst der nächste ist und es nur noch darum geht, als Einzelner möglichst sorgenfrei durch den Alltag zu kommen. Daraus lässt sich auch aus politischer/zwischenmenschlicher Gleichgültigkeit Kapital schlagen. Juli Zeh hat dazu Ideen und es ist zu befürchten, dass irgendjemand sie so oder ähnlich umsetzen wird. Eine spannende Story, die vielleicht dem einen oder anderen klarmacht, dass Demokratie eine Errungenschaft ist, zu der man Sorge tragen sollte.
wal.li, 24.07.2018
Brücke
Zusammen mit ihrem Geschäftspartner Babak erbringt Britta erfolgreich ganz besondere Dienstleistungen. In einer Art Praxis führen sie einen 12-Stufen-Plan mit Menschen durch, die selbstmordgefährdet sind. Da Britta und Babak mit ihrer Tätigkeit sehr erfolgreich sind, hat Brittas Mann die Möglichkeit sein Start-up zu lancieren. Gemeinsam mit ihrer Tochter leben sie in ihrem Familienidyll in Braunschweig. Der Politik haben sie schon längst abgeschworen. Ganz anders ist da der Lebensplan von Brittas Freundin Janine und ihrer Familie. Ihr größter Wunsch ist ein Haus auf dem Land, wo sie sich wenigstens teilweise selbst versorgen können. In einer nahen Zukunft angesiedelt ist der aktuelle Roman von Juli Zeh. Eine Zukunft, die erschreckend realistisch wirkt, in der die Menschen lieber eine Waschmaschine haben wollen als wählen zu gehen. Eigentlich eine blöde Umfrage, aber mit was für einem katastrophalen Ergebnis. Man hat die Freiheit zu wählen, wer einen regieren soll, und man nutzt sie nicht. Kein Wunder, dass das Land in dieser Zukunft von recht seltsamen Gestalten regiert wird. Es scheint als wolle das Volk einen sicheren Rahmen und ansonsten von der Politik nicht behelligt werden. Die Auswüchse in politischen Zielen, zu denen das führt, sind der Menge egal. Noch nicht einmal ein kleiner Anschlag vermag die Leute aufzurütteln. Britta und Babak sind allerdings alarmiert. Eine schauderhafte Zukunftsversion, die hier vorgestellt wird, ausgehend von den heutigen Tagen, könnte man den Eindruck gewinnen, wir stünden tatsächlich vor einem Wechsel in die Richtung, die eigentlich nur der Phantasie der Autorin entspringen sollte. Allerdings hat sich diese anscheinend eingehend mit der Lage beschäftigt und sich tiefgreifende Gedanken gemacht, wohin das führen könnte. Die schweigende Mehrheit hat geschwiegen und die anderen sind wählen gegangen. Vielleicht aber haben auch die arrivierten Politiker sich unwählbar gemacht, sich zu weit von den wirklichen Problemen des Volkes entfernt. Kann dann eine Britta, mit ihrem Hintergrund, etwas zur Änderung beitragen? Und wäre es eine Änderung zum Besseren? Wird sie alles glauben, was ihr dargelegt wird? Welche Entscheidung wird sie treffen. Was man von diesem Roman mitnehmen kann, muss jeder für sich entscheiden. Doch sollte es sich jeder normal denkende Mensch zur Aufgabe machen, sich über das Mindeste in der Welt zu informieren und sich zu überlegen, ob er die freie Wahl wirklich aufs Spiel setzen möchte.
Susanne Becker, 01.07.2018
Juli Zeh, Leere Herzen
„…, jene notorischen Nörgler, die seit Jahrzehnten mit ihrer Missgunst und Kleinkariertheit an den Fundamenten der Demokratie graben. Die das Internet in eine Schlammschleuder verwandelt haben, die nur glücklich sind, wenn sie auf andere herabschauen können. Die sich und ihre kindischen Bedürfnisse über alles stellen. Die lieber simplen Verschwörungstheorien glauben, als sich mit der komplizierten Wahrheit auseinanderzusetzen.“ Leere HerzenIn ihrem neuesten Roman Leere Herzen beschreibt Juli Zeh beklemmend realistisch ein Szenario, das nicht so weit von unserer aktuellen Situation entfernt ist, vielmehr eine mögliche logische Konsequenz daraus darstellt. Die meisten Menschen haben sich ins Nicht-wählen zurückgezogen und die Demokratie wird ignoriert zugunsten des bequemen Einnistens in ein möglichst sorgenfreies und sauberes Privatleben. An der Regierung ist die BBB (Bewegung Besorgter Bürger) mit der Kanzlerin Regula Freyer. Angela Merkel wurde durch die zunehmenden Proteste „Merkel muss weg“ gezwungen, ihr Amt niederzulegen, es gab Neuwahlen, aus der die BBB extrem stark hervorging. Ein Szenario, das Dank des Verhaltens von Leuten wie Seehofer, Söder, Weidel (war sie oder Petry das Vorbild für Regula Freyer?) und Gauland etc. tatsächlich immer wahrscheinlicher zu werden scheint. Trump allerdings scheint in Leere Herzen immer noch amerikanischer Präsident zu sein. Ebenfalls ein Szenario, das nicht so unwahrscheinlich ist. Liegt seine Zustimmung unter den Amerikanern doch gerade bei ca. 45%, und das trotz der in Lagern festsitzenden über 2000 Kindern, um nur eine seiner unendlich vielen Grenzüberschreitungen zu nennen. Langsam aber sicher werden die Grundrechte zurück gefahren und die Demokratie abgebaut. Allerdings merken die meisten das gar nicht, weil sie mit ihren eigenen Leben, Konsum, Sport oder der Frage beschäftigt sind, ob sie ihr Kind nach den Ansätzen der Silicon Valley Pädagogik bilden oder doch lieber in einer musisch orientierten Hochleistungsschule anmelden sollen. Beziehungsweise: sie finden es sogar richtig, dass die Grundrechte zurückgefahren werden, weil sie sich in einer offenen Gesellschaft bedroht fühlen. Die Politik zielt nur noch darauf ab, die Ängste der Menschen zu schüren und dann zu beschwichtigen. Dank des Internets wurde die Wählerschaft mit ihren Ängsten zu einer relativ leicht manipulierbaren Masse. Zwangsläufig führt die Strategie in eine immer abgeschottetere Gesellschaft. Die Menschen sind nicht mehr politisch, scheint es. Niemand interessiert sich für die allgemeine Situation oder die Situation anderer, solange es ihm privat gut geht. Britta und Babak haben eine psychotherapeutische Praxis in der Innenstadt von Braunschweig, Die Brücke. Ihre Klientel sind ausschließlich Männer, die suizidgefährdet sind. Britta und Babak lassen diese „Kandidaten“ ein zwölfstufiges Programm durchlaufen, um sie von ihren Selbstmordabsichten zu heilen. Die meisten Kandidaten verlassen das Programm auch auf Stufe 5, 6 oder 8 geheilt, wollen sich das Leben nicht mehr nehmen. Die ausgesuchten wenigen allerdings, die bis zu Stufe 12 kommen und der eigentliche Grund für das Geschäft sind, die auf Stufe 12 also trotzdem noch sterben wollen, das sind jene, mit denen Britta und Babak wirklich Geld machen. Sie vermitteln sie als Selbstmordattentäter an interessierte Organisationen: radikale Tierschützer, IS-ähnliche Armeen, die PKK. Diese zynische Strategie, die beide eher pragmatisch finden, hat sie reich gemacht. Die Situation beginnt sich zuzuspitzen, als ein Anschlag am Leipziger Flughafen geschieht, der zum ersten Mal seit langer Zeit nichts mit Der Brücke zu tun hat und wenige Tage später die junge Julietta in den Räumen Der Brücke auftaucht. Leere Herzen ist, wie alle Bücher von Juli Zeh, handwerklich großartig. Sie versteht es, den Leser vom ersten Satz an an die Hand zu nehmen und bis zum letzten Punkt auch nicht mehr loszulassen. Ein wirklicher Pageturner. Trotzdem habe ich mich während der Lektüre mehrfach an dem Buch gerieben, weil es mir zu glatt und konstruiert erschien. Beides Kritikpunkte, die ich immer noch habe und im Grunde bei allen neueren Büchern von ihr hatte. Leere Herzen ist nicht die Art Buch, die ich wirklich mag und häufig lese. Dennoch bin ich ein Fan von Juli Zeh, vor allen Dingen liebe ich ihre älteren Bücher wie Adler und Engel, Schilf, DieStille ist ein Geräusch (hier meine Rezension) oder Spieltrieb. Und was ich wirklich beeindruckend finde ist, wie schnell Juli Zeh in der Lage ist, aktuellste politische Geschehnisse literarisch auf relativ hohem Niveau zu verarbeiten und umzusetzen. An manchen Stellen fand ich die Geschichte, die Charaktere etwas sehr platt, etwas sehr konstruiert. Aber letztlich schildert sie, was ist und widersteht der naheliegenden Versuchung, eine Lösung mit großem Knall anzubieten. Das, was sie dem Leser bietet, ist im Grunde viel komplizierter. Denn für mich enthält das Buch am Ende eine sehr klare Botschaft: wenn wir die Demokratie, Europa, unsere Werte retten wollen, können wir das nur, wenn wir wirklich fühlen, dass sie gerade zerstört werden, jeden Tag ein bisschen mehr, und wenn wir wirklich spüren, dass wir sie erhalten wollen. Nur dann haben wir vielleicht den Mut, die Ausdauer und Kraft, dafür einzustehen und uns nicht gemütlich in unsere Gärten und Leben zurückzuziehen. Solange es den meisten im Grunde egal ist, wird es weiter bergab gehen. „Du bist nicht leer“, sagte Julietta sanft. „Du trägst alles in dir. Du musst dir nur erlauben, auf dich selbst zu hören.“ Ein Buch, das gerade in diesem Sommer, in dem die "Merkel weg"- Rufe immer lauter werden, in dem die Nation schon in der Vorrunde der WM "gedemütigt" vom Rasen kriecht, eine wichtige Lektüre ist. Denn es beschreibt die Befindlichkeit derer, die dem Ende der Demokratie den Weg bereiten, haargenau. Also trotz meiner persönlichen Zurückhaltung empfehle ich das Buch dennoch, zum Beispiel als wunderbare Urlaubslektüre. Weil ich das Thema so unglaublich wichtig finde und es hier in einer Form verarbeitet wird, die ich als sehr zugänglich empfunden habe. Hier meine anderen Texte vom Blog, die sich mit Juli Zeh und ihren Büchern befassen. Ich danke dem Luchterhand Verlag sehr herzlich für das Rezensionsexemplar. (c) Susanne Becker
Connies Schreibblogg, 27.05.2018
Ein beängstigendes Szenario!
„LEERE HERZEN“ VON JULI ZEH 2. ZUM INHALT Stell dir vor, du lebst immer noch in Deutschland, aber es sind schon ein paar Jahre vergangen: Du hast die Wahl, dein Kind im Sinne der Silicon Valley Pädagogik zu erziehen oder du meldest es in einem musischen Kinderkolleg mit Klavierzwang an. Wir alle erhalten ein bedingungsloses Grundeinkommen. Dies sind Konzepte der neuen Welt, in der du lebst. Angela Merkel ist zurückgetreten. Was geschieht mit Menschen, die in diesem Lebensmodell keinen Platz haben möchten? Juli Zeh erschafft in ihrem Buch „Leere Herzen“ ein beklemmendes Szenario. Die Demokratie hat sich selbst abgeschafft. Die Menschen kennen die Welt, die sie umgibt, sie stellen sie nicht in Frage, sondern stellen nur die Frage: Cui Bono? Wem nützt es? Sie richten es sich behaglich in ihrem Habitat nein und machen es, zu ihrer Wohlfühlzone. Es gibt keinen öffentlichen Diskurs mehr. Wir passen uns an. Juli Zeh warnt uns! Die politisch passive Haltung des Einzelnen birgt Gefahren. “Deutschland war das glücklichste Land der Welt, ohne das auch nur im Ansatz selbst zu merken.” Leere Herzen „Die Bewegung besorgter Bürger“, die man keineswegs demokratisch nennen kann, regiert Deutschland. Rutschen wir immer weiter nach rechts? Juli Zeh stellt uns in diesem Buch ein Geschäftsmodell vor, das so zynisch, unethisch und dennoch letztendlich genial ist. Es ist ein Geschäft mit dem Tod und dem Terrorismus. Anscheinend macht es den Terrorismus berechenbarer. Es gibt weniger Kollateralschaden. Im Buch spielen Kinder mit Mega-Super-Figuren gewaltsame Szenarien durch und schreien erfreut auf, sobald K o l l a t e r a l s c h a d e n entsteht. Diese Figuren sind ein Verkaufsschlager. Wir alle wollen eine Welt, die berechenbar ist! Aber doch nicht durch solche oder ähnliche Geschäftsmodelle. Wenn man sich die Logik dahinter durchdenkt, fragt man sich: Gibt es solche Modelle schon in unserer Welt und wir wissen es nicht? 5/5 Punkten 3. PROTAGONISTEN Britta ist eine Geschäftsfrau, die ihr angenehmes luxuriöses Leben liebt. Dennoch gefällt ihr auch der Kitzel des Gefährlichen und Unmoralischen. Sie geht für ihr Geschäft weit über ihre Grenzen. Für Britta ist es auch wichtig, dass sie der Motor des Geschehens ist. Sie finanziert Familie und wenn es nötig ist, auch mal Freunde. Ein Kontrahent bedroht nicht nur Babaks und Brittas Unternehmen, sondern auch deren Leben. Britta zerbricht fast an dieser Ausnahmesituation. 5/5 Punkten 4. SPRACHLICHE GESTALTUNG Juli Zeh nimmt den Leser gleich mit ins Geschehen. Ein wenig Sarkasmus, gewürzt mit zynischen Worten schaffen schnell die richtige Atmosphäre für diese beängstigende Vision. Die Kapitellänge ist lesefreundlich. 5/5 Punkten 5. COVER UND ÄUSSERE ERSCHEINUNG „Leere Herzen“ von Juli Zeh hat 320 Seiten, einen festen Einband und ist am 13.11.2017 unter der ISBN 9783630875231 bei Luchterhand im Genre Romane erschienen. 5/5 Punkten 6. LINKS ZUM BUCH Juli Zeh spricht mit Denis Scheck über ihren Roman “Leere Herzen”ARD / “Druckfrisch” (30.10.17) Beitrag zum Buch und Gespräch mit Juli Zeh in der SendungZDF / “aspekte” (10.11.17) Beitrag zum Buch und Interview mit der AutorinNDR / “Kulturjournal” (13.11.17) Buchpräsentation von “Leere Herzen” in Berlin im Großen Sendesaal des rbbmeinbrandenburg.tv (14.11.17) Lesungen Termine 7.FAZIT Das Buch hat mich hervorragend unterhalten. Es bleibt bis zur letzten Seite spannend. Juli Zeh hat die Schwachstellen unseres Menschseins hervorgelockt. Wir gewöhnen uns an alles. Und wir nutzen alles für unsere Zwecke. Ist der Mensch unserer Zeit tatsächlich jenseits von Gut und Böse? Liegt es daran, dass der Mensch über seine Welt die Kontrolle haben will? Wo sind unsere Werte? Was ist mit unserer Ethik? Ein lukratives Geschäft mit dem Tod? Klingt das wirklich so abwegig? Das macht die Waffenindustrie seit Jahrzehnten. Warum sollte es dieses fiktive Modell nicht schon in der Realität geben? Ein verstörender Gedanke! L E S E E M P F E H L U N G gegen Politikverdrossenheit @Luchterhand Vielen Dank für das schöne Rezensionsexemplar! Ich vergebe insgesamt 5/5 Punkten. Connie’s Schreibblogg https://schreibblogg.de
thatweirdbookgirl, 21.05.2018
Erschreckend (und) authentisch
Halleluja, dieses Buch hatte es wirklich in sich! Mit dem Cover passend im Stil zu Juli Zehs Vorgängers, Unterleuten, stand auch dieser Roman hier verführerisch in meinem Bücherregal. Jedoch brauchte ich wirklich eine riesige Überwindung, um letztendlich wirklich zu dem Buch zu greifen, denn wir wissen ja, dass die Autorin nicht gerade dafür bekannt ist, vor sich hin plätschernde, harmonische Bücher zu schreiben. Oh nein! Und doch war es eine richtige Erfahrung und ein wahres Leseerlebnis mal wieder ein Buch von Juli Zeh zur Hand zu nehmen. "Wir haben keine Ahnung, wer wird sind. Sein wollen. Oder sollen." (Seite 47) Da sich jetzt der ein oder andere wahrscheinlich fragen wird, warum denn plötzlich eine Rezension zu einem so ernsten Buch auf einem Blog online kommt, der sich eigentlich nur größtenteils mit Liebes- oder Fantasyromanen beschäftigt, dann schaut euch unbedingt das Video an, das ich unten verlinkt habe! Juli Zeh ist für mich eine unglaublich inspirierende, kluge und fortschrittliche Frau, von deren Eigenschaften man sich wirklich eine Scheibe abschneiden kann. Nachdem ich vor längerer Zeit Corpus Delicti von ihr gelesen habe, und außerdem absolut begeistert davon war, habe ich mir neulich vorgenommen, unbedingt mehr von ihr lesen zu wollen oder sogar zu müssen, da ihre Bücher wirklich den Horizont erweitern. Als ich nun zu ihrem neusten Buch griff, war ich überrascht, in welche Richtung dieses Buch geht. Auch dieser Roman geht in eine dystopische und gesellschaftskritische Richtung. Wir haben es hier nämlich mit einer Zukunft zu tun, in der Politik für den normalen Bürger eigentlich keine Rolle mehr spielt. Es wird sich nicht mehr darüber unterhalten, denn was gemacht wird, wird ja sowieso falsch gemacht und wenn man in irgendeinem Thema anderer Meinung ist als der "Mainstream", soll man doch auch gleich leise sein. Daher kann man doch auch gleich aufgeben, oder etwa nicht? Ein absolut spannender Ansatz, der in meinen Augen gar nicht allzu weit hergeholt ist, wenn man sich die reale Gegenwart mal anschaut. Dieser Meinung war wohl auch die Autorin, was sie in ihrer Welt dadurch kennzeichnet, dass unsere Protagonistin Britta immer wieder auf Ereignisse der Vergangenheit zurückblickt, die für den Leser noch gar nicht allzu weit zurückliegen. Darunter zählen zum Beispiel der Brexit, Trumps Aufstieg oder auch allein Angela Merkel, die wir noch immer als Kanzlerin und Oberhaupt Deutschlands über uns haben. All dies wurde von der Autorin clever verwoben und weiter-, wenn auch dreimal um die Ecke, gedacht. Diesbezüglich fungieren diese politischen, wirtschaftlichen oder auch kulturellen Ereignisse unserer heutigen Zeit in Juli Zehs Roman als Grundstein für das System und deren Gesellschaft. "Wie lange verzichtet sie schon auf das Schöne, nur, weil es ihr selbstverständlich erscheint?" (Seite 241) Hier lässt sich schnell feststellen, dass die Autorin ihre Leser mal wieder ganz typisch auf ihre eigene Art und Weise zum Nachdenken anregt. In dieser Hinsicht bringt sie so interessante und kluge Gedankengänge ein, die fast schon in eine philosophische Richtung gehen, dass mir der Mund oft mal offen stehen geblieben ist. Betonen sollte man auch, dass ich keineswegs das Gefühl hatte, dass der Leser hierbei in irgendeine bestimmte politische Stellung gelenkt wird, da jeder Ansatz von vielen, ich würde schon fast sagen, allen möglichen Seiten beleuchtet wird. Wo dies aber so großzügig durchdacht und ausgebaut wurde, da ist hin und wieder beim konkreten Worldbuilding einiges ausgelassen wurden, was ich sehr schade fand. Ich hätte gern gewollt, dass die Autorin zumindest essentielle Bausteine ihrer Welt ausführlicher erklärt und diese nicht nur anreißt. Hier sind definitiv einige Fragen offen geblieben, die für mich auch nicht unter den Grundsatz fallen, den Leser selbst weiterdenken lassen zu wollen. Das, was einem nämlich hingeworfen wurde, zum Beispiel die "Sport ist öffentlich"-Bewegung, wurde gar nicht weiter erläutert. Ich weiß im Nachhinein lediglich, dass es meist mehrere Menschen sind, die bestimmte Klamotten tragen und zusammen Sport treiben. Tja. Aber was steckte denn dahinter? Wie kam es denn dazu? Welche Ziele verfolgt diese? Wird diese direkt vom Staat gefördert? Fragen über Fragen und das war nur ein einziges Beispiel. Durch diese Stellen kam es durchaus zu diffusen Stellen. "Heutzutage weiß doch keiner mehr, wofür oder wogegen er sein soll." (Seite 31) Auch die Protagonisten waren hier mal wieder sehr ... speziell. Vor allem Britta selbst hat mich wirklich an Mia aus Corpus Delicti erinnert, was positive und auch negative Seiten hat. Zum einen sind diese weiblichen Hauptprotagonisten außergewöhnlich charakterstark, durchdacht und haben, auf gut Deutsch, Arsch in der Hose. Zum Anderen habe ich aber auch das Gefühl, dass diese immer ein kleines soziales Defizit haben. Es sind einfach keine Charaktere, mit denen man sich Eins-zu-Eins identifizieren kann, weil sie manchmal so komischen Handlungssträngen oder Dialogen folgen, auf die ich nie im Leben kommen würde. Aber ist es nicht genau das, was diese Geschichte so interessant macht? Andere zentrale Personen wie Babak, Janina oder Julietta waren abwechslungsreich, individuell und einfach interessant. Man hat sie einfach gern auf ihrem Weg begleitet. Eine weitere faszinierende Besonderheit bringt Juli Zehs Schreibstil mit sich, der zwar sehr kalt war und eine düstere Atmosphäre heraufbeschwor, aber die Geschichte durch und durch antrieb. Er passte wie die Faust aufs Auge auf den Roman, gerade weil er so symbolisch war. Gleichzeitig trieb er den Leser in den passenden Momenten durch die Seiten, während man die Zeilen an anderen Stellen immer und immer wieder lesen wollte, um sie sich möglichst gut einzuprägen und in den richtigen Momenten herauskramen zu können. Insgesamt ist die Geschichte einfach großartig inszeniert und unglaublich ausgeklügelt. Die Grundidee des Geschäfts von Tabak und Britta ist so abstoßend, dass es schon wieder genial ist. Aber hey, liegen Genie und Wahnsinn nicht immer nah beieinander? Verknüpft mit einem kleinen Mystery-Aspekt wird der Roman spannend wie ein Thriller und ein absoluter Pageturner. Mehr zur Geschichte an sich möchte ich eigentlich ungern verraten, das sollt ihr mal schön selbst lesen! Fazit: Ein toller und gleichzeitig beängstigender Gesellschaftsroman aus Juli Zehs Feder. Spannend, erschreckend und vor allem hält es einem den Spiegel vor - oder viel mehr schlägt es einem den Spiegel mit vollem Schwung gegen den Kopf. Ich konnte unglaublich viel aus dem Roman mitnehmen! 4 von 5 Sternen ★★★★
Mona Roza, 19.05.2018
Leere Herzen
Leere Herzen Ein Szenario, das unter die Haut geht. Es ist die nahe Zukunft, 2025.. nicht mehr lange hin. Ist es dann immer noch hoffentlich nur eine Dystopie oder schon grausame Realität. “Leere Herzen” spielt wie alle Juli Zeh Romane in Deutschland. In diesem Deutschland jedoch tritt Angela Merkel zurück und überlässt der BBB (Bersorgte Bürger Bewegung) die Regierung.. wobei die BBB stark an die besorgten Bürger der Afd erinnert. Naja es gibt aber bedingungslose Grundeinkommen, Europa gibts auch bald nicht mehr und auch nicht mehr viele Grundrechte. Ich liebe die Romane von Juli Zeh, sie ist klug und hat einfach einen tollen Schreibstil. Vor allem gefällt mir ihre kritische Art, Gesellschaften zu hinterfragen. Sie hatte von kindesbeinen an mit Politik zu tun und das merkt man ihr an. Sie schreibt mit Leidenschaft. Der Roman war so realistisch geschrieben, das ich manchmal eine Gänsehaut bekam, weil eine solche Zukunft vielleicht gar nicht mehr so fern ist, wie wir glauben wollen. In “Leere Herzen” führen Britta und ihr Geschäftspartner Babak eine psychotherapeutische Praxis in der sie suizidgefährdeten Menschen helfen wollen. Algorithmen bestimmen die Anwärter. Und jetzt kommt der Knüller. Diese Menschen durchlaufen ein Programm in dem geprüft wird, ob sie so suizidial sein könnten, dass man sie an Organisationen weitervermitteln kann, die Selbstmordattentäter brauchen. Dadurch haben die Klienten das Gefühl, für eine gute Sache gestorben zu sein. Damit verdienen Britta und Babak ein Vermögen. Wer dieses sog. Program nicht durchstehen sollte, gilt als geheilt und ist so glücklich darüber, dass er ihnen noch mehr Geld zukommen lässt.. spendet. Ein unglaublich spannender und beängstigender Roman..  Das Lesegefühl ist sehr gut und der Schreibstil flüssig zu lesen.   Ich kann das Buch nur weiterempfehlen!
Gisela Simak, 18.05.2018
Leere Herzen und brisante politische Themen werden hier nicht weichgezeichnet.
Selten habe ich bisher ein Buch gelesen, bei dem der Titel so gut passt. Die Protagonisten haben teilweise wirklich "Leere Herzen!" Allen voran Britta Söldner. Ehrlich gesagt hat diese Frau bei mir einen bitteren Geschmack im Mund hinterlassen. Ich fragte mich oft, wie eine Frau nur so brutal sein kann. Sie verdient sich ihr Geld mit Menschen, welche ihrem Leben ein Ende setzten wollen. In ihrem Büro "Die Brücke" wählt sie mit ihrem Kollegen Babak Hamwi passende Kandidaten aus. Eigentlich schimpft sich dieses Büro Heilpraxis. Aber, ihr Tod soll nützlich sein. Es handelt sich um Menschen, die körperlich gesund sind, aber einen an der Klatsche haben. Sobald sie Brittas und Babaks fragwürdige Tests bestanden haben, werden sie an Organisationen vermittelt, bei denen sie für einen "guten Zweck" ihr Leben lassen können. Die Dystopie spielt nicht weit von unserer Gegenwart entfernt. Das Schlimme ist, wir hatten schon oft genug Attentäter, die für ihre Überzeugungen den Freitod gewählt haben, und viele Menschen mit in den Tod genommen haben. Ich halte es leider auch nicht für unmöglich, dass Menschen sich ihr Geld, mit dem Freitod leerer Herzen, verdienen/werden. Eine Angela Merkel die weint und Menschen die nicht zum Wählen gehen. Als die Brücke dann auch noch Konkurrenz bekommt, muss die liebe Britta mal ein bisschen im Dreck wühlen. Mit ihrem besten Freund und Kollegen taucht sie in ein verwahrlostes Haus unter. Ach ... eine potentielle Selbstmörderin hat sich ihnen auch angeschlossen ..... Die Autorin hat eine Geschichte geschaffen, die einem vor Augen führt, dass die Herzen bei vielen Menschen schon in der Gegenwart leer sind. Gleichgültigkeit, Egoismus und mangelnde Empathie zeichnen sich jetzt schon bei vielen ab. Ich bin wirklich erstaunt, wie Juli Zeh diese brisanten Themen in Worte gepackt hat. Ich gestehe dass ich mit dem Buch dreimal begonnen habe, bevor ich es zu Ende gelesen habe. Für diese Zukunftsgeschichte braucht man wirklich die passende Laune. Nach anfänglichen Schwierigkeiten konnten mich die leeren Herzen dann doch überzeugen. Die Autorin scheint der Bevölkerung einen Spiegel vorzuhalten. So habe ich es zumindest aufgefasst. Leere Herzen und brisante politische Themen werden hier nicht weichgezeichnet. Eine Ehefrau und Mutter hat bei ihrem Beruf kaum noch eine Schmerzgrenze. Die Kasse klingelt. Doch die Konkurrenz schläft nicht. Viele Menschen werden müde! LEBENSMÜDE! Danke Juli Zeh
Tina / Kill Monotony, 10.04.2018
Ein Gesellschaftsroman, der in ein Deutschland blickt, das so ähnlich und doch so anders scheint als das, was wir kennen — spannend wie ein Thriller.
Juli Zehs Bücher habe ich gefühlt an jeder Ecke auf Instagram gesehen und habe mich immer gefragt, was denn so besonderes an ihren Romanen ist. Bis ich dann eine Rezension zu „Leere Herzen“ gelesen und dann diesen „Oh, das will ich lesen!“-Moment hatte. Zugegeben, der Plot klang schon etwas lächerlich, aber doch auch spannend. Und so zog Zehs „Leere Herzen“ bei mir ein. Nach kurzem Anpirschen zog ich das Buch mit aufs Sofa und inhalierte es im wahrsten Sinne des Wortes. Die Geschichte um Britta und Babaks Unternehmen mit seinem skurrilen Geschäftszweck und den späteren Verfolgungswahn hat mich einfach nur gefesselt. Doch zurück zum Anfang: Es geht um Britta, die mit ihrem mittlerweile besten Freund Babak ein Unternehmen gegründet hat, das seltsamer und kontroverser nicht sein könnte: Und zwar eine Heilpraxis für Selbstmordprävention. Britta absolvierte eine Ausbildung zur Heilpraktikerin, um mit Professionalität über den fragwürdigen Aspekt ihrer Praxis hinwegzutäuschen: Denn ein Großteil der Personen, die sich bei der „Brücke“ melden, absolvieren die nicht immer menschenfreundlichen Methoden, die Britta und Barak entwickelt haben, um sie vom Selbstmord abzubringen, und kehren danach wieder in ihr Leben zurück; doch ein kleiner Teil ist unbelehrbar und nicht von seinem Todeswunsch abzubringen. Diese Menschen werden von Britta und Barak an Organisationen vermittelt, die einen Märtyrer für ihre Sache gebrauchen können, um durch Medienpräsenz mehr Engagement zu erhalten, so beispielsweise Umweltorganisationen oder solche, die sich gegen den Walfang einsetzen. Diese Organisationen geben den Unbeirrbaren sozusagen einen Sinn, etwas, für das es sich zu sterben lohnt. Die Personen, die sich bei der „Brücke“ melden und nach dem Programm übrig bleiben, sterben so also nicht einen „sinnlosen und egoistischen“ Selbstmord, sondern für eine höhere Sache. Britta führt ein Doppelleben; nicht einmal ihr Mann weiß, womit ihre Frau tatsächlich ihre Brötchen verdient. Als es zu einem Attentat kommt und die „Brücke“ plötzlich kurz vor der Enttarnung steht, muss sie klug und vor allem schnell handeln, sonst droht ihr gesamtes Leben zusammenzubrechen. »Full hands, empty hearts, it’s a suicide world.« Im Jahre 2025 hat sich die Politik so weit gewandelt, dass eine Organisation wie „Die Brücke“ keineswegs undenkbar erscheint. Juli Zeh lässt einen dystopischen Wind wehen, ihre Protagonistin ist entgegen ihres Berufs nicht der Überzeugung, dass Politik etwas ist, worüber man groß spricht: »Auch wenn sie aus beruflichen Gründen gezwungen ist, Politik in groben Linien zu verfolgen, findet sie nicht, dass man privat darüber reden muss.« Mit einer lebendigen Sprache erzählt Zeh hier die Geschichte rund um Britta Söldner, die jedoch – wie alle Charaktere aus „Leere Herzen“ – irgendwie flach und unfertig erscheint. Die selbsternannte Terrordienstleisterin erscheint fast schon roboterhaft, sie lebt und stirbt für ihre Organisation. Als es dann schließlich zu einer Bedrohung für die „Brücke“ kommt und nicht nur Britta und Babak, sondern auch deren Familien ins Zielfernrohr gelangen, hilft nur noch eins: die Flucht. Von diesem Punkt an wird „Leere Herzen“ fast schon zum Thriller, der Stempel „Roman“ wirkt ein wenig unpassend. »Ich genieße es in vollen Zügen, dass mich die allermeisten Dinge nichts angehen.« Fazit: Die Autorin schafft mit ihrem Roman den perfekten Spagat zwischen Dystopie, Politthriller und Gesellschaftsroman. Die wunderbare Erzählweise bekommt leider einen Dämpfer durch die nicht rund erscheinenden Charaktere, was sehr schade ist. Die Spannungskurve ist meines Erachtens sehr gelungen, es gibt keinen drögen Mittelteil, lediglich der Schluss ist etwas zäh — weshalb es auch nur 4 Sterne gibt. Alles in Allem bekommt ihr mit „Leere Herzen“ einen Roman, der ein Deutschland beschreibt, in dem alle Menschen zwar alles haben, aber nicht über ihre titelgebenden leeren Herzen hinwegtäuschen können.
Circlestones Blog, 12.03.2018
Ein spannender Thriller mit Blick in eine mögliche nahe Zukunft
„Jetzt weiß ich, dass richtig und falsch erst existieren, nachdem man sich entschieden hat.“ (Zitat Seite 324) Richard und Britta sind mit Knut und Janina seit Jahren eng befreundet, trotz der unterschiedlichen Lebensperspektiven. Während Janina sich auf das alte Haus im Grünen freut, das sie kaufen wollen, hat Britta sich bewusst für ein modernes Haus in Braunschweig entschieden. Britta Söldner ist eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Zusammen mit dem IT Spezialisten Babak Hamwi führt sie die „Brücke“, eine Heilpraxis im Bereich Psychotherapie und Tiefenpsychologie. Kern ihres Unternehmens ist der von Babak entwickelte Algorithmus, „Lassie“. Sie selbst sehen sich als Dienstleister, spezialisiert auf Menschen mit Selbstmordabsichten. Plötzlich taucht gefährliche Konkurrenz auf, die nicht nur ihr Geschäftsmodell stehlen will und dadurch ihre Existenz bedroht, sondern auch ihr Leben und das ihrer neuesten Kundin Julietta … Der Roman spielt in der nahen Zukunft, die BBB „Besorgte Bürger Bewegung“ hat die Regierung Merkel abgelöst. Den Menschen sind die Ideale abhanden gekommen, sie nehmen die Situation als gegeben und versuchen, ihr Leben nach ihren eigenen Vorstellungen zu führen. Wichtige Themen sind Demokratie und Demokratieverständnis und die Frage, ob und wie lange man ein Leben im „Wegschauen“ führen kann. Speziell ist natürlich auch die Geschäftsidee der „Brücke“, definiert als Terrordienstleister. Beispielhaft für den Zeitgeist, rund um den die Autorin ihre Geschichte entwickelt, steht die Lebenssituation der beiden Ehepaare Knut-Janina mit Tochter Cora, 7 Jahre alt, und Richard-Britta mit Tochter Vera, 7 Jahre alt. Erstere wollen ein altes, weit abgelegenes Haus auf dem Land kaufen, während Britta bewusst eine gute Lage in einer mittelgroßen Stadt gesucht hat und so auf Braunschweig gekommen ist. Britta verdient mit ihrer Firma viel Geld, dies und der Erfolg sind für sie das Wichtigste im Leben – ihre Ziele verfolgt sie skrupellos. Für ihre Familie bleibt da wenig Zeit. Von ihrem Geschäftspartner Babak erwartet sie, dass er ihre Ideen ausführt und sich ihren Zielen unterordnet. Man könnte den Roman, geschrieben in der neutralen Erzählform, als gesellschaftskritisches Zeitbild beschreiben, eingepackt in einen fesselnden Thriller. Die Handlung ist spannend und enthält zahlreiche Andeutungen und Wendungen, die den Leser lange über die wahren Gegner und Hintergründe im Unklaren lassen. Mein Lieblingscharakter in diesem Roman ist Juliette, eine junge Frau, die genau weiß, was sie will und was sie nicht will. Verletzlich und dennoch selbstbewusst. Durch sie beginnt Britta, ihr Leben und ihre Handlungen zu hinterfragen. Die Autorin zeigt in ihrem Roman eine mögliche Zukunft Deutschlands mit Menschen, denen Träume und Wertvorstellungen weitgehend abhanden gekommen sind. Sie zeichnet ein ziemlich düsteres, aber nicht hoffnungsloses Bild. Mich erinnert dieses Buch an die früheren psychologisch-spannenden Romane von Juli Zeh und hat mich, im Gegensatz zu Unterleuten, wieder völlig überzeugt. Ein Thema mit Tiefgang, großartig umgesetzt.
Frank Freter, 11.03.2018
Juli Zeh kann Thriller
Eine unterkühlt abgefasster Thriller der in der nahen Zukunft spielt. Es war Juli Zeh ein persönliches Anliegen nach der Wahl von Trump ein Buch, das in der nahen Zukunft platziert ist, zu schreiben, in der der aktuell aufkommende Populismus zur Normalität geworden ist. Heraus gekommen ist ein Thriller, ein Genre das Juli Zeh beherrscht
Wolfgang Keiderling, 11.02.2018
Leere Herzen
Die wiedergegebenen Rezensionen sind zu meiner Überraschung überwiegend positiv bis hoch lobend. Dem kann ich mich nicht anshließen. An den Roman UNTERLEUTEN, der mir sehr gefallen hat, kommt LEERE HERZEN nach meiner Meinung bei weitem nicht ran. LEERE HERZEN wirkt auf mich verfremdet, irreal, Handlungsablauf für mich weitgehend nicht nachvollziehbar.
MK , 05.02.2018
Jeder sollte dieses Buch gelesen haben!
In wenigen Tagen verschlungen: "Leere Herzen" von Juli Zeh - kann ich nur jedem empfehlen! Dürfte ich entscheiden, ich würde es sofort zum Abiturthema machen! Juli Zeh, wie immer sehr intelligent, höchstaktuell, mit scharfen Beobachtungen und einer unglaublich feinfühligen und facettenreichen Sprache!
Kati, 21.01.2018
Lest es - und brennt danach.
Braunschweig, im Jahre 2025. Merkel wurde von der Besorgten-Bürger-Bewegung, kurz BBB, abgesetzt. Die nun machthabenden Partei kämpft gegen Überfremdung, kontrolliert die Presse, und verteilt das bedingungslose Grundeinkommen. Werte und Prinzipien hat die große Mehrheit der Büger nicht mehr - sie wiegen sich in seichte Wohlfühlamtosphäre, gepaart mit frustriertem Zynismus, statt einer Auseinandersetzung mit dem, was kommen wird. Keiner traut sich mehr, für etwas zu Brennen, weil das ja fast schon etwas peinliches, etwas anrüchiges ist. Ideale sind tot. So bildet sich der ideale Nährboden für neue Geschäftsmodelle wie das von Protagonistin Britta Söldner und ihrem Geschäftspartner Babak Hamwi, einem Programmierer. "Die Brücke", wie sie ihre Firma nennen, bietet "Self-Managing, Life-Coaching und Ego-Polishing" an - zumindest auf dem Klingelschild. Hinterm Klingelschild jedoch ist die Realität eine andere... Es wäre doch gelacht, wenn sich Selbstmord nicht noch monetarisieren ließe. Was Babak und Britta tatsächlich tun, ist ein derartig menschenverachtendes Modell, das ich zunächst wirklich erschrocken war. Ein von Babak programmierter Algorithmus sucht im Internet nach potentiellen Selbstmördern, die sie anschließend kontaktieren und ein 12-Stufen-Programm durchlaufen lassen, dass die suizidalen Tendenzen der Betroffene auf Ernsthaftigkeit untersucht. Ist der-/diejenige bereit, den Kontakt zu allen Verwandten und Freunden abzubrechen? Kann er einen Abschiedsbrief formulieren? Und zuletzt: ist ihm klar, was Sterben bedeutet? Das findet Britta anhand eines Waterboardings des Probanden heraus. Sie wussten nicht, wofür sie am Leben waren, sie wissen auch nicht, für was sie sterben sollen. Hat der Proband alle Stufen erfolgreich durchlaufen, hat er nun die Möglichkeit, *für* etwas zu sterben - statt einfach so. Verschiedene Terror-Organisationen stehen zur Wahl, die den Selbstmord als Attentat vergüten - so ist der Tod, sei es ideell oder materiall, zu etwas Nutze. Perfekt optimiertes Terror-Geschäft, bei dem auch die Regierung einmal mehr wegsieht - ist kontrollierter Terror mit kalkulierbaren Verlusten doch besser als jener, der nicht in Bahnen gelenkt, kontrolliert und abgerechnet werden konnte. Für Britta und Babak ist "Die Brücke" ein lukratives Geschäft mit dem Tod. Prinzipien zu kennen, leugnen sie, und haben nicht die geringste Lust, Schuldgefühle zu haben oder eine Mitverantwortung für die herrschenden Umstände zu übernehmen. Britta ernährt mit der Firma ihre Familie und lebt in ihrer kleinen, so heil wie eben möglichen Blase. Doch dann erschüttert ein weiteres Attentat die Gesellschaft, und zwar so stümpferhaft ausgeführt, dass es nicht "Die Brücke" gewesen sein kann. Dieses Ereignis ist der Beginn einer Verkettung von Umständen, die Brittas Welt in ihren Grundfesten erschüttert. Sie ist gezwungen, ihr Leben, ihre Beziehungen, ihre Überzeugungen und Grundwerte noch einmal ganz neu zu überdenken... In ihrem Inneren öffnet sich eine Luke, hinter der sich ein großer dunkler Raum verbirgt, den sie seit langer Zeit nicht mehr betreten hat. Sie stellt sich ein Schild neben der Luke vor: ‚Prinzipienlager – Zugang nur für Berechtigte!’ Sie hat sich immer eingeredet, dieser Raum sei vollkommen leer, weshalb es keinen Grund gebe, gelegentlich die Bestände zu sichten. "Leere Herzen" hat mich wie seinerzeit schon "Unterleuten" gepackt und nicht mehr losgelassen, bis ich den Roman zu Ende gelesen hatte. Er zeichnet ein erschreckendes Bild unserer Gesellschaft - wie auch die Widmung auf den ersten Seiten des Buchs "Da - so seid ihr" vermuten lässt. Das Szenario ist so unrealstisch nicht, und daher umso erschreckender. Die wichtigste Botschaft des Romans ist zweifellos: Lest es - und brennt danach. So, dass es euer Umfeld sieht. Steht ein für eure Werte und Überzeugungen, und bitte, um Gottes Willen, habt welche.
ricysreadingcorner, 19.01.2018
Eine Interessante Idee, konnte mich in der Umsetzung aber nicht überzeugen...
Bewertung: 3,6/5 "In einer Welt, in der sich die, denen es am besten geht, am beschissensten fühlen, ist etwas grundverkehrt." (Leere Herzen S. 107) Inhalt Die Handlung dreht sich um die Protagonistin Britta, die in einem Deutschland der Zukunft einem ganz besonderen Job nachgeht... Im Jahr 2025 ist die Besorgte Bürger Bewegung an der Macht und schafft Stück für Stück die Demokratie ab. Die wenigsten kümmern sich großartig darum und noch weniger würden in Erwägung ziehen, etwas dagegen zu tun, wie z.B. wählen zu gehen. Es gibt ein bedingungsloses Grundeinkommen, sodass es kaum noch normale Angestellte gibt, sondern sich die meisten mit irgendwelchen Ideen selbstständig gemacht haben. Erfolgreich sein müssen sie ja damit nicht, was auch gut so ist, denn richtige Ziele hat kaum einer mehr. Die allgemein verbreitete Gleichgültigkeit lässt sich am besten mit den Worten von Brittas bester Freundin auszudrücken: "Ich genieße es in vollen Zügen, dass mich die allermeisten Dinge nichts angehen." (S. 155) Irgendwie bedrückend, denkt man sich da. Ja, nicht jeder kann das ganze so positiv sehen wie Brittas Freundin. Manche sind sogar so deprimiert, dass sie diesem Leben ein Ende setzen wollen. Da kommt Brittas Psychotherapiepraxis " Die Brücke" ins Spiel, die sie mit ihrem besten Freund Babak gegründet hat. Sie haben ein Programm für Selbstmordgefährdete entwickelt, welches auf der Konfrontationsmethode beruht und die allermeisten am Schluss doch von ihrem Plan abbringt und "geheilt" zurück in die Welt entlässt. Doch manche Teilnehmer lassen sich nicht belehren. Diese werden dann von Britta und Babak an Terrororganisationen vermittelt, um für einen höheren Zweck zu sterben. Ein ziemlich lukratives Geschäft. Doch dann passiert ein Terroranschlag, mit dem die Brücke nichts zu tun hat. Gibt es Konkurrenz auf dem Markt? Meine Meinung Leere Herzen ist mein zweiter Juli Zeh - Roman. Ich habe ihn direkt im Anschluss an ihren Bestseller Unterleuten gelesen. Was soll ich sagen, der Klappentext hat mich sofort fasziniert. Ich kann es nicht oft genug sagen, ich liebe skurrile und auch bedrückende Zukunftsvisionen und diese makabre Geschäftsidee fand ich einfach so originell, dass ich den Roman lesen musste. Man wird ziemlich schnell in die Handlung geworfen, erfährt, was Die Brücke ist und dann passiert auch schon der Terroranschlag, der Brittas solides Geschäft gehörig ins Wanken bringt. Der trockene, sehr sarkastische Schreibstil, mit dem Juli Zeh die Probleme unserer oftmals paradoxen Gesellschaft auf den Punkt bringt, hat mir sehr gut gefallen. Insgesamt ließ sich der Roman dadurch schnell und flüssig lesen. Die Entwicklung der Geschichte konnte mich dann jedoch nicht wirklich überzeugen. Was mit einer meiner Meinung nach sehr originellen und skurrilen Idee anfing, kam mir schnell überspitzt vor und wurde am Ende zu einer Moralpredigt. Die Aussage, die ich aus dem Buch mitnehme ist die, dass wir uns nicht über diese Welt beschweren können, wenn sie uns egal ist. Konkreter: Wer nicht wählen geht, ist selber Schuld. Keine schlechte Aussage, aber mir gefiel die Art einfach nicht, wie sie einem am Schluss eingetrichtert wird. Die Story, die an sich viel Potenzial für eine gute Gesellschaftskritik hat, wird so zu einem Märchen, das scheinbar nur auf die "Moral von der Geschicht" ausgelegt ist. Was wahrscheinlich ebenfalls dazu beigetragen hat, dass mir die Story mehr und mehr übertrieben und unglaubwürdig vorkam, waren die Charaktere. Eigentlich hat mir nur ein Charakter richtig gut gefallen und das ist Julietta. Eine junge Frau, die nicht mehr leben möchte. Warum, weiß man eigentlich nicht genau, denn sie scheint eigentlich ganz fröhlich zu sein. Das machte sie für mich unglaublich interessant. Britta hingegen steckt für mich voller Widersprüche und ist meiner Meinung nach ein ziemlich oberflächlicher Charakter. Die Geschichte wird aus ihrer Sicht erzählt und man soll als Leser durch sie am Ende, diese große Aussage verinnerlichen, obwohl ihr selbst eigentlich alles egal zu sein scheint, außer ihrer Firma. Ich konnte mit dieser Protagonistin einfach nicht warm werden. Natürlich soll sie kein sympathischer Charakter sein, das schließt ihr makabres skrupelloses Geschäft schon irgendwie aus, aber ich konnte ihre Art auch letztlich nicht mit der Aussage in Verbindung bringen. Das hat für mich irgendwie alles nicht gepasst. Der Roman hätte für mich schon genug Bedeutung gehabt, wenn man das Geschäft mit den Selbstmördern vor dem Hintergrund einer Welt, in der es sich nicht lohnt zu leben thematisiert. Die Moralpredigt von Britta, die selbst so wenig Werte zu besitzen scheint, war für mich einfach zu viel des Guten. Die Story hatte für mich einige interessante Details, die ich gerne etwas ausgeschmückter oder mehr in den Fokus gerückt gesehen hätte, nicht zuletzt der Charakter Julietta. Stattdessen wirkten diese unvollständig und schnell abgearbeitet, um am Ende auf eine übertriebene und meiner Meinung nach aus der Story nicht wirklich schlüssig hervorgehende Aussage hinzuführen. Fazit Leere Herzen ist alleine aufgrund der Idee eine spannende Gesellschaftskritik, von der ich jedoch mehr erwartet hätte. Die interessante Idee sowie der schöne Schreibstil mit einigen tollen Zitaten, die mir im Gedächtnis bleiben werden, machten diesen Roman für mich zwar schon lesenswert, die eher wenig authentischen Charaktere, sowie eine für meinen Geschmack überspitzte und in Bezug auf die Geschichte nicht ganz passende moralische Aussage, dämpften den Lesegenuss für mich jedoch letztendlich etwas. Unterleuten hat mir deutlich besser gefallen.
Bücherkompass, 17.01.2018
LEERE HERZEN. JULI ZEH.
'Leere Herzen‘ ist Politthriller und Dystopie in einem und vereint (Alt-)Bekanntes mit Neuem. In ihrem Werk lässt Juli Zeh eine Partei an die Macht kommen, die die Lage in Deutschland beträchtlich verändern soll. So ändern sich beispielsweise gesellschaftlich verbreitete Vorstellungen von Moral derart, dass es Britta Söldner und ihrem Geschäftspartner Babak Hamwi möglich ist eine Praxis für potenzielle Selbstmordattentäter zu führen. Unter dem Deckmantel einer psychotherapeutischen Praxis akquirieren die beiden Selbstmordgefährdete und verdienen damit gutes Geld. Nebenbei führt Britta ein gesittetes Familienleben, das für sie jedoch kaum Priorität besitzt. Ihr Fokus liegt auf der Ausbildung der Kandidaten, auf der Akquise weiterer Attentäter und auf der Erhaltung ihrer Geschäftsbeziehungen. Bei allem was sie beruflich beschäftigt merkt Britta nicht, wie sie langsam aber merklich den Halt verliert. Als ihr Mann eines abends verkündet er wolle nun das Geld für die Familie verdienen ist sie geschockt. Wie kann er sie ihrer Position berauben wollen und zugleich behaupten, dass es zu ihrem Besten sei und das auch noch zum denkbar unpassendsten Zeitpunkt. ‚Leere Herzen‘ entwirft ein erschreckendes, wenn auch nicht allzu abstruses Bild von der Zukunft unserer Gesellschaft, in der sich die Moral hinten anzustellen hat. Denn welche Bedeutung hat ein Leben in einer Welt, in der moralische Grundsätze tagtäglich beiseite geschoben werden, um wichtigeren Dingen Platz zu machen? Auch wenn ich so meine Schwierigkeiten hatte eine Verbindung zu den Protagonisten des Romans aufzubauen und mich das Buch entsprechend nicht ganz mitreißen konnte, ist ‚Leere Herzen’ ein gut geschriebener Roman, der dem Lesenden nur allzu deutlich Augen führt was in einer Gesellschaft, in der das Leben des Einzelnen scheinbar seinen Wert eingebüßt hat alles möglich wird.
zitrosch , 06.01.2018
Interessantes Geschäftsmodell
Der aktuelle Roman von Juli Zeh beschäftigt sich vor allem mit der politischen Situation Deutschlands im Jahr 2025. Das neue Staatsoberhaupt ist Regula Freyer, die der besorgten Bürgerbewegung (BBB) angehört. Obwohl viele Bürger mit Frau Freyers politischem Handeln nicht einverstanden sind und durch ihre Aktionen eher noch besorgter werden, schaffen sie es nicht ihre politische Lethargie zu überwinden. Somit sind immer neue, sogenannte Effizienzpakete die die demokratischen Werte nach und nach unterwandern, die Folge. In dieser Zeit lebt Britta zusammen mit ihrer Familie in Braunschweig. Gemeinsam mit einem Freund aus Studientagen führt sie eine Heilpraxis mit dem Namen „Brücke“. Britta und ihr Bekannter Babak haben sich auf suizidgefährdete Menschen „spezialisiert“. Vordergründig möchten sie den Betroffenen natürlich helfen und mit ihnen alternative Handlungsstrategien erarbeiten. Ihre wahre Absicht hingegen ist eigentlich die Rekrutierung von Selbstmordattentäter für verschiedene Gruppierungen. Mit ihrem ungewöhnlichen Geschäftsmodell ist es ihnen nicht nur gelungen sich am Markt zu etablieren sondern auch ihren Lebensunterhalt mehr als nur zu sichern. Doch mit einem Mal erscheint von einem Tag auf den anderen ernstzunehmende Konkurrenz auf der Bildfläche. Und plötzlich werden nicht nur die Grundsätze der „Brücke“, sondern auch Brittas gesamtes Leben in Frage gestellt. Auf den ersten Blick vermutet ein Juli Zeh Anhänger möglicherweise, dass ihr aktuelles Buch ganz neue Genres bedient. Handelt es sich um „Leere Herzen“ doch um eine Dystopie bzw. um einen Politthriller. Aber bei genauerer Betrachtung ist auch diese Geschichte ein gesellschaftskritischer Roman mit einem „bedrohlichen“ Bezug zur Realität. An einigen Textstellen musste ich kurz innehalten um über unsere aktuelle politische Situation nachzudenken. Sind wir vielleicht auch gerade dabei uns zu einer Gesellschaft zu entwickeln, der Ungerechtigkeit und Missstände egal sind, solange man sich selbst in einem gesicherten Wohlstand befindet? Wird keiner mehr etwas sagen, wenn einzelne Person oder Personengruppen denunziert werden? Werden möglicherweise die hart erkämpften demokratischen Werte klammheimlich abgeschafft und es interessiert niemanden? Juli Zehs Geschichte hat mich auf jeden Fall wieder etwas wach gerüttelt. Man sollte die gesellschaftlichen Geschehnisse mehr hinterfragen und für Werte aktiv eintreten, die einem wichtig sind. Fazit: Ein spannender Roman mit erschreckend, aktuellen Aspekten, der an den Leser appelliert für demokratische Grundwerte einzustehen.
Sabine Hartmann, 26.12.2017
Unterkühlt
Babak und Britta führen ein Unternehmen, das Selbstmörder sucht: entweder, um sie vom Selbstmord abzuhalten oder um sie zu Selbstmordattentätern zu machen. Sie verkaufen die Kandidaten an die entsprechenden Organisationen, weshalb Attentate nur noch perfekt, aber seltener stattfinden. Die Geschichte spielt in naher Zukunft, an der Regierung ist eine Partei, die nach und nach die Grundrechte einschränkt und abschafft. Britta ist desillusioniert. Sie ist verheiratet, hat Freunde, ein Kind, ihr Mann scheint plötzlich Erfolg mit seinem Unternehmen zu haben, oder doch nicht? Dann taucht auch noch Julietta auf – die erste Frau, die ein Selbstmordattentat begehen will – und plötzlich sprengen sich am Leipziger Flughafen zwei junge Männer in die Luft – und niemand weiß warum. Doch sie waren mal in Brittas und Babaks Firma und natürlich noch in ihrer Kundendatei … Die Geschichte überrascht inhaltlich an vielen Stellen. Sie wirkt kühl, weil Britta versucht, so kühl zu sein, um nicht unterzugehen. Doch dadurch wirkt das Buch insgesamt recht kühl, linear, zielstrebig, ohne aber am Ende tatsächlich einem Ende, einer Überraschung, einem Highlight entgegen zu streben. Das Ende bleibt diffus, undeutlich. Während die anfänglichen (im Text als nicht besonders gut versteckte Belehrungen) Warnungen Brittas vor einem Rechtsruck noch zeigen, wie sehr die Menschen sich treiben lassen, wenn sie ein Gefühl der Ohnmacht haben bzw. wenn sie keine ausreichenden Informationen besitzen, driftet der Roman in der zweiten Hälfte ins Unwirkliche ab. Der erste Teil wird von den Belehrungen (bzw. Warnungen) dominiert, der zweite von Aktionismus, beides überzeugt nicht wirklich. Trotzdem kann man das Buch gut lesen, es bleibt aber ein Gefühl, dass da noch was fehlt.
artWORDising Diana Wieser, 24.12.2017
Eskapismus in der nahen Zukunft: Wer dem Leben ausweicht, leistet nichts für die Welt!
Juli Zeh hat sich das wohl furchterregendste aller Szenarien herausgesucht – jenes der nahen Zukunft. Wo hört die Dystopie auf, wo fängt die mögliche Realität an? „Leere Herzen“ spielt 2025 in Deutschland. Nach Angela Merkels Rücktritt hat die BBB (Besorgte Bürger Bewegung) die Regierung übernommen. Es gibt das Bedingungslose Grundeinkommen, Europa steht kurz vor der Auflösung, demokratische Grundrechte werden kaum merklich „vereinfacht“. Ehemalige Großstadthipster betreiben gepflegten Eskapismus und strömen in die überschaubaren Mittelstädte. Es sind zynische Nichtwähler wie Britta, jeglicher Illusion beraubt. Nur dass Britta daraus Kapital schlägt. Ihre Psychotherapiepraxis „Die Brücke“ filtert das Internet nach suizidgefährdeten Personen. Durchlaufen diese 12 Stadien ohne geheilt zu werden, werden sie an Organisationen vermittelt, die Selbstmordattentäter gebrauchen können – von Islamisten bis Umweltaktivisten. Britta, Ehefrau und Mutter mit sauberem Betonklotzhäuschen in Braunschweig, hat mit ihrem Doppelleben kein Problem. Bis eine vermeintliche Konkurrenzfirma namens „Empty Hearts“ auf den Markt drängt und ihr eigenes Leben bedroht wird. Keine Frage, die studierte Juristin und vielfache Literaturpreisträgerin Juli Zeh weiß mit ihrer Prosa zu spalten und zum Nachdenken anzuregen. In ihrem Vorgänger „Unterleuten“ stellte sie ein Panoptikum der Gesellschaft in Form eines brandenburgischen Dorfes dar. Hier holt sie zu weitaus größerem Wurf aus. Sie setzt der Gesellschaft einen Spiegel vor, greift aktuelle politische Ereignisse auf, stellt Grundwerte wie Demokratie, Engagement und Werte auf den Prüfstand. „Da. So seid ihr“, steht anstelle einer Widmung zu Beginn der Geschichte. Wie immer gestaltet sich die Suche nach einem Sympathieträger in Juli Zehs Prosa sehr schwierig. Die abgeklärte Britta, die ein Geschäft mit dem Tod betreibt, Ordnung über alles liebt, ist von sich und der Natur entfremdet. Sie ekelt sich vor Staub, Schmutz und allem, was organisch ist. Über Politik will sie nicht diskutieren. Gemeinsam mit ihrem schwulen und einst selbstmordgefährdeten Freund Babak, betreibt sie ihre Agentur, mit der sie so gut verdient, dass sie ihren Mann damit unterhalten kann. Dieser befindet sich in der schwierigen Startup-Phase seines Unternehmens, insgeheim zweifelt sie an seinen Fähigkeiten. Ihre besten Freunde sind ausgerechnet ein Künstlerehepaar, das nicht viel verdient und von einem baufälligen Häuschen auf dem Land träumt. Was hält diese Freundschaft zusammen, abgesehen von den gleichaltrigen Töchtern? Ist es, weil Britta Leute braucht, auf die sie heimlich herabschauen kann? Oder erinnert die Janina Britta an etwas, was sie vor langer Zeit verloren hat? Im Verlauf der Plots bekommt Brittas fast schon roboterhaft anmutende Fassade Risse. Da stürmt Julietta in ihr Leben, die sich als freiwillige Selbstmordattentäterin für den Tierschutz bewerben möchte und Britta vor Augen hält, wie es ist, für Ideale zu brennen. Zu dritt begeben sie sich auf die Flucht, nachdem ihre sensiblen Computerdaten geklaut und sie von einem esoterisch angehauchten Multimillionär bedroht werden. Ihr Geheimversteck befindet sich auf dem Land, wo Britta ohne Internet, Fernsehen und Ablenkung auf sich selbst zurückgeworfen wird. „Das beliebte Gesellschafsspiel namens Stress, bei dem es darum geht, einen Tag so geschickt zu packen wie einen Koffer, damit möglichst viel hineinpasst, ist für sie einstweilen beendet.“ Britta entdeckt, dass sie längst nicht so nihilistisch eingestellt ist, wie geglaubt. Sie weiß noch, was Gut und Böse ist. Und so fällt sie am Ende eine Entscheidung, die zur Rettung der Demokratie beitragen kann. Juli Zehs Sprache ist schlicht und doch einprägsam, passend zur desillusionierten Gesellschaft des Plots. Ob ihr entworfenes Szenario nun in den Bereich der Sciencefiction oder in den Bereich der möglichen Dystopie fällt, daran mögen sich die Geister scheiden. Voll uns Boot holt uns Juli Zeh mit Szenen aus dem Alltagsleben, die den Leser dazu drängen, eigene Werte in Frage zu stellen. Einprägsam ist eine Szene auf dem Spielplatz. Ein dicker Junge, den Brittas Tochter nicht mitspielen lassen will, zerstört aus Ärger die gebaute Sandburg. Britta rät ihrer Tochter ohne zu zögern: „Hau ihm eine!“. Als sich die Mutter des Jungen über Brittas Erziehungsmethoden beschwert, entgegnet diese: „Soll ich sie so erziehen, dass sie später stillhält, wenn sie vergewaltigt wird?“. Oder tatenlos zusieht, während andere vor ihren Augen zusammengeschlagen werden? Wer dem Leben ausweicht und nichts tut, leiste keinen wertvollen Beitrag für die Welt, konstatiert Britta. Wobei ihr erst später bewusst wird, dass sie selbst ebenfalls tatenlos ihre Wertvorstellungen verraten hat. Juli Zehs Roman kratzt beim Lesen. Weil er am Schutzpanzer unseres täglichen Eskapismus reibt, zerrt, drückt. Es ist leicht, dem Weltgeschehen den Rücken zu kehren und sich von Unterhaltungsshows berieseln zu lassen. Es ist bequem, Veganer zu belächeln, den eigenen Hund zu streicheln und herzhaft ins Steak zu beißen. Es ist blauäugig zu denken, die eigene Nichtwahl würde ein politisches Statement setzen. Wohin dies auf demokratischem, gesellschaftlichem und radikalem Weg führen kann, davon berichtet Juli Zeh. Ihr Roman ist ein hochaktuelles, hochbrisantes und besonders wichtiges Stück zeitgenössischer Literatur. Unbedingt lesenswert!
Sarahs Bücherregal, 18.12.2017
Einfach beängstigend
In „Leere Herzen“ beschreibt Juli Zeh eine mögliche Zukunft. Eine Welt, die zynisch ist und in der der große Berlinhype dazu geführt hat, dass alle in farblose Kleinstädte ziehen. Auch Britta hat das getan und mit ihrem Geschäftspartner Babak mit der „Brücke“ ein Unternehmen gegründet, das auf den ersten Blick wie eine Therapieeinrichtung für Suizidgefährdete wirkt, in Wahrheit aber einen völlig neuen Geschäftszweig für sich entdeckt hat. Doch genau darf das niemand wissen, denn das Geschäft mit dem Tod ist gefährlich. Plötzlich scheint jemand ihre Geschäftsidee kapern zu wollen und Britta und Babak müssen zu ungewohnten Maßnahmen greifen, denn auch ihr eigenes Leben ist plötzlich bedroht. Juli Zeh hat zuletzt mit ihrem Gesellschaftsroman „Unterleuten“ uneingeschränkt überzeugt. Ihr neuer Roman „Leere Herzen“ setzt jetzt an einer ganz anderen Stelle an, es ist ein Zukunftsroman, der eine von vielen Möglichkeiten durchspielt, wie die Welt sich entwickeln könnte. Und es ist für mich ein sehr glaubwürdiges Szenario, das sie packend beschreibt. Als Leser ist man sofort gespannt auf diese Welt, auch wenn sie einen gruselt. Denn es ist eine kalte und zynische Welt ohne Mitgefühl, die Juli Zeh hier erschaffen hat. Es bleibt zu hoffen, dass wir diese Entwicklung noch abwenden können, denn folgt man dem Gedankengang der Autorin, sind wir auf dem direkten Weg in die dieses Szenario. „Leere Herzen“ ist keine unwahrscheinliche Science-Fiction-Idee, sondern die Realität, die uns allen blüht, wenn es einfach weitergeht wie bisher. Lediglich die Figuren bleiben mir etwas zu blass, da hätte ich mir noch mehr Informationen gewünscht, um einen guten Zugang zu finden. In ihrem Roman „Leere Herzen“ schafft Juli Zeh eine beängstigende Aussicht auf die Zukunft, spannend und packend realistisch, so dass man das Buch nur schwer aus der Hand legen kann, wenn man erst einmal in die Zukunft eingetaucht ist.
Manuela Kühn, 13.12.2017
Düstere Zukunftsprognose
Der postmoderne Roman "Leere Herzen" von Juli Zeh erschien im Herbst 2017 im Luchterhand Literaturverlag und umfasst 348 Seiten. Die Autorin beschreibt eine düstere Zukunftsversion von Deutschland, indem sie den Leser ein paar Wochen am Leben von Britta teilhaben lässt. Diese laut eigenen Aussagen desillusionierte junge Frau unterhält im praktischen Eigenheim lebend eine kleine Familie und betreibt oberflächlich betrachtet mit ihrem Geschäftspartner Babak eine Praxis für Psychotherapie. Genauer betrachtet geht ihre Geschäftsidee jedoch weit über ein normales Beratungssetting hinaus, was die beiden in existenzielle Bedrängnis bringt. Der Konflikt eskaliert und Britta muss gemeinsam mit Babak abtauchen. Nur durch einen fulminanten Schachzug gelingt es ihnen, dem Geschehen noch eine entscheidende Wendung zu geben. Mir persönlich hat der Roman sehr gut gefallen. Durch die Wahl der auktorialen Erzählperspektive kann der Leser tiefe Einblicke in die Gefühls- und Gedankenwelt der Protagonistin erhalten, bekommt aber auch zu den Ereignissen nur häppchenweise weitere Infos, die wirklich mitfiebern lassen. Zudem waren sie für mich Zugang zu einer unglaublich bedrückenden Zukunftsvision unseres Landes und den darin vorherrschenden Verhältnissen. Daher gehe ich davon aus, dass der Roman als eine Warnung zu verstehen ist. Es ist der Autorin sehr gut gelungen, den handelnden Personenkreis auf ein Minimum zu reduzieren, die Darsteller dafür aber umso detaillierter zu skizzieren. Hierzu nutzt sie einige Rückblenden. Zahlreiche innere Monologe gewähren Einblicke in Brittas Gedankengängen, ohne dass die Handlung dadurch an Spannung verlieren würde. Der Titel wird gleich auf den ersten Seiten des Romans in Beziehung zum Buch gesetzt und zieht sich dann wie ein roter Faden durch das Geschehen. Auch die minimalistische Gestaltung des Covers wird nach wenigen Seiten verständlich und als Thema ganz am Ende noch einmal aufgegriffen. Empfehlen kann ich diesen Roman all denen, die gerne einen Blick in die Zukunft wagen und bereit sind, sich mit gesellschaftlichen Problemen auseinanderzusetzen. Ein herzlicher Dank geht an den Luchterhand Literaturverlag für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.
Angela Busch, 10.12.2017
Bedrohliche Gesellschaftsveränderungen!
INHALT: Britta Söldner führt mit ihrem Freund und Geschäftspartner Babak in Braunschweig eine psychotherapeutische Heilpraxis namens *Die Brücke* , die darauf spezialisiert ist selbstmordgefährdete Patienten aus dem Internet zu fischen, zu begleiten und bietet Hilfe an. Wenn die Patienten verschiedene Therapien durchlaufen haben und von ihrer Selbstmordabsicht nicht abzubringen sind , vermittelt *Die Brücke* mehr oder weniger illegal diese Patienten an unterschiedliche Terror Organisationen weiter,,,, MEINE MEINUNG: Schon beim Schreiben dieser kleinen, obigen Inhaltsangabe stellen sich mir wieder die Haare zu Berge. Juli Zeh hat einen dystopisch angehauchten, gesellschaftskritischen Thriller geschrieben , der den Leser fesselt, bestürzt und vom Thema hoffentlich nicht unsere Zukunft sein wird. Ich war ein wenig überrascht von ihrem Schreibstil, der nicht unbedingt an die Genialität ihrer vorigen Werke erinnert, sondern eher an eine *Normale Thriller Autorin*. Aber genau diese Möglichkeit verschiedene Facetten des Schreibens aufzuzeigen, zeichnet eine grosse Schriftstellerin aus. Man fliegt durch diese spannende Geschichte , genießt viele Metaphern, wie zum Beispiel den Namen Britta SÖLDNER, eine Söldnerin der neuen Zeit in naher Zukunft, die von Informations Monitoren an den Verkehrsampeln geprägt ist, von der BBB ( besorgte - Bürger-Bewegung ) , einem Überwachungsstaat mit heimlichem, schrittweisen Abbau der Demokratie. Es gibt viel Privatleben in dieser fiktiven Gesellschaft, politisches Desinteresse der Bevölkerung und Kinder versinken in einer Welt von Baller-Spielen. Sie fügt geschickt Politiker wie Trump und Merkel beiläufig in ihren Roman ein und gibt ihm damit eine aktuelle Note. Mein Fazit über die Botschaft der Autorin dieser Geschichte , welches ich erlesen habe und die von Juli Zeh ein wenig zu offensichtlich und mit leichtem Vorwurf in die Buchwelt geschickt wird: Geht bitte wählen, schützt Eure Demokratie , sonst kann Euch ein ähnliches Geschehen wie im Buch drohen. Meine Wertung : FÜNF ***** STERNE Herzlichen Dank an die Autorin und die Random House Group für dieses Rezensionsexemplar!
Goldene Seiten, 05.12.2017
Spannender Politthriller
Juli Zeh lohnt sich immer zu lesen, die Frau ist einfach verdammt klug. In ihrem neuen Roman spürt man deutlich ihren Hang zur Politik und ihren kritischen Blick auf die Gesellschaft. "Leere Herzen" spielt in der nahen Zukunft und manchmal erschien mir der Roman weniger Science Fiction Aspekte zu haben, als mir das lieb war. Die Demokratie gibt es nicht mehr, Angela Merkel ist mit Tränen in den Augen zurückgetreten und die herrschende Partei ist die "Besorgte Bürger Bewegung"(BBB). Britta und ihr Geschäftspartner Babak haben eine Psychotherapeutische Praxis, in der sie Hilfe für suizidgefährdete Menschen anbieten. Die AnwärterInnen werden anhand von Algorithmen ermittelt. Sie durchlaufen ein Programm in dem geprüft wird, ob ihre Suizidalität so stark ausgeprägt ist, dass man sie an Organisationen weitervermitteln kann, die SelbstmordattentäterInnen benötigen. Die PatientInnen haben dann das Gefühl für eine gute Sache gestorben zu sein. Die Organisationen bekommen einen auf Herz und Nieren geprüften Kandidaten und Britta und Babak verdienen ein kleines Vermögen. Wer das Programm nicht durchsteht, wird als geheilt entlassen und ist so glücklich darüber, dass er eine größere Summe spendet. Dieser Handlungsstrang macht das Buch sehr spannend, weil sich herausstellt, dass das Unternehmen Konkurrenz bekommen hat und plötzlich sind Britta und Babak und ihre Firma in Gefahr. Mich hat diese düstere Idee, die die Autorin sich hier ausgedacht hat und in allen Details ausführt, sehr fasziniert. Abseits dieses roten Fadens beschreibt Juli Zeh auf eine provokative Art und Weise die Welt und die Gesellschaft in einer Zukunft ohne Demokratie. Immer wieder tauchen intelligente Anspielungen auf die aktuelle politische Situation und auch konkrete Politiker auf. Ein spannender und unterhaltsamer Politthriller, der mich immer wieder zum Nachdenken angeregt hat.
Julia , 01.12.2017
"Leere Herzen" von Juli Zeh
Lange nicht mehr hat mich ein Buch so gespalten zurückgelassen. Auf der einen Seite habe ich mich gut unterhalten gefühlt, auf der anderen kam mir die Handlung manchmal sehr irreal vor. Wieso meine Meinung so gespalten ist, könnt ihr in meiner Rezension erkennen. Inhalt (Klappentext) Sie sind desillusioniert und pragmatisch, und wohl gerade deshalb haben sie sich erfolgreich in der Gesellschaft eingerichtet: Britta Söldner und ihr Geschäftspartner Babak Hamwi. Sie haben sich damit abgefunden, wie die Welt beschaffen ist, und wollen nicht länger verantwortlich sein für das, was schief läuft. Stattdessen haben sie gemeinsam eine kleine Firma aufgezogen, "Die Brücke", die sie beide reich gemacht hat. Was genau hinter der "Brücke" steckt, weiß glücklicherweise niemand so genau. Denn hinter der Fassade ihrer unscheinbaren Büroräume betreiben Britta und Babak ein lukratives Geschäft mit dem Tod. Mein Eindruck: Ich habe mir sehr viel von dem neuen Roman Juli Zehs versprochen, da ich zum einen viel positives über ihre Werke erfahren habe, zum anderen habe ich sie einmal auf der Leipziger Buchmesse gesehen, wo ich sie sehr sympathisch fand. Ich kam auch sehr schnell in die Handlung hinein, weil die Autorin einen sehr flüssigen und für den Leser angenehmen Schreibstil hat. Am Anfang wurde ein großer Spannungsbogen aufgebaut, weil der Leser nur Häppchenweise Informationen über "die Brücke“ geliefert bekommt und daher neugierig ist, um was für ein Unternehmen es sich dabei handelt. Zudem fallen immer wieder kleine Andeutungen über die Regierung und das politische System Deutschlands. Das Buch soll in naher Zukunft ( ich schätze zehn Jahren ) spielen. Die Charaktere waren sehr vielfältig. Zum einen ist da Britta, die gegen Ende immer unsympathisch wird. Sie ist kalt und gefühllos, was man auch an ihrer Beziehung zu ihrer Tochter, die sie viel bei einer Freundin lässt, und ihrem Mann sieht. „Die Brücke“ hat in Brittas Leben höchste Priorität, auch vor ihrer Familie. Dann ist da noch Baback, Brittas Geschäftspartner, der etwas mehr Sympathie erwecken kann. Er ist nicht so arrogant wie Britta und zeigt auch mehr Gefühle. Das befreundete Ehepaar Janina und Knut verkörpert den Wunsch nach einem erfüllten Leben, der in jeder Gesellschaft zu finden ist. Die Idee der „Brücke“ hat mir gut gefallen, da sie außergewöhnlich ist. Ich bin mir zwar bewusst, dass die Autorin provozieren will, doch das Szenario einer solchen Einrichtung konnte ich mir noch vorstellen. Was ich mir nicht vorstellen konnte, ist die politische Lage in die Juli Zeh Deutschland versetzt. Merkel ist abgetreten, da eine autoritäre Bewegung Namens „Besorgte Bürger Bewegung“ mit einer Anführerin namens Regula Dreyer, über die man jedoch kaum was erfährt, an die Macht gekommen ist. Insgesamt habe ich mir mehr Informationen über die Machtergreifung dieser Bewegung gewünscht. Das erste Paradoxon beginnt damit, dass immer wieder von „Innenministerin Wagenknecht“ gesprochen wird. Ob es sich dabei um Sahra Wagenknecht handelt bleibt unklar. Merkels Rücktritt unter Tränen erscheint mir ebenso unrealistisch. Die Randbemerkung, Putin und Trump hätten gemeinsam den Syrienkrieg beendet, konnte ich noch eher nachvollziehen als die vollkommen verrückte These, dass durch den amerikanischen Isolationismus der Nah-Ost-Konflikt gelöst worden sei. Auch das weitgehende Verschwinden von islamistischem Terror, konnte ich mir nicht vorstellen. Die Charaktere, ihre Gründe für den Selbstmord und ihre Beziehungen hingegen wirkten echt und authentisch. Der Gedanke eines „früher war alles besser“, das sich durch die Erinnerungen durch die Protagonistin zieht, hat mir gut gefallen. Wenn man das Buch als Literarsches Werk sieht ist es hervorragend. Guter Stil, tolle Figuren, Sätze, die man in Stein meißeln möchte, Metaphern und vieles mehr. Um dies jedoch genug genießen zu können, muss man die politischen Fehleinschätzungen der Autorin ausblenden. Julia Zeh möchte den Leser provozieren und dazu anregen, sich Gedanken über seinen eigenen Lebensstil zu machen.Das ist ihr gelungen.
forti, 27.11.2017
Intelligent und spannend!
Wer denkt "Juli Zeh - ihre Bücher fand ich ja bisher immer gut" oder auch "Juli Zeh - bisher nur Gutes über sie gehört, vielleicht lese ich mal ihren neuen Roman", dem empfehle ich, "Leere Herzen" zu lesen ohne weiter nach Inhaltsangaben, Rezensionen oder Interviews von Denis Scheck zu suchen. Diese enthalten nämlich alle unweigerlich Spoiler und "Leere Herzen" ist ein Buch, das man meiner Meinung nach auch sehr lohnend lesen kann, ohne vorher viel darüber zu wissen. So viel sei gesagt: Juli Zeh ist die selten glückende Kombination eines spannenden und(!) intelligenten Buches gelungen. Absolute Leseempfehlung! . . . . . . . . . . Sie sind ja immer noch hier und wollen offenbar doch noch mehr über das Buch wissen. Das ist okay! Los geht's! Auf Spoiler kann ich ab hier aber leider nicht verzichten. Juli Zeh setzt die Handlung von "Leere Herzen" in der näheren Zukunft (ca. zweites Viertel des 21. Jahrhunderts) in Deutschland an. Erst auf den zweiten Blick offenbaren sich die Schattenseiten einer oberflächlich friedlich lebenden Gesellschaft. Politikverdrossenheit hat weiter um sich gegriffen und Populisten sind in Deutschland an der Macht. Britta Söldner (in die Namen der Protagonisten kann man so einiges interpretieren) hat mit ihrem Geschäftspartner und guten Freund Babak die "Brücke" gegründet, eine Agentur die Selbstmordkandidaten und radikale Gruppierungen zusammen bringt, sodass der Selbstmord einen Sinn bekommen soll. Britta kann dieses Konzept sich selbst gegenüber als saubere Sache und win-win-Situation verkaufen - unbeteiligte Tote gibt es aber auch hierbei weiterhin und vielleicht auch deshalb arbeitet sie in einer Grauzone und selbst der Ehemann und die beste Freundin wissen nicht, was sie genau macht. Während im Leser die Frage aufkommt, wie Britta und Babak vom Staat und anderen Institutionen unbemerkt agieren können, passiert es auch schon: die Brücke gerät unter Druck. Erst langsam klärt sich, wer hier eigentlich was und warum beabsichtigt. Britta und ihre Freundin spielen im Buch mehrmals das "was wäre wenn"-Spiel. Auch der Leser kommt nicht umhin hier mitspielen und sich selbst Fragen zu stellen - über die eigene Moral und das eigene Handeln. Wohin steuern Deutschland und die Welt? Welche Rolle spiele ich dabei? Würde ich mich am Ende so entscheiden wie Britta? Meine liebste Frage: Wenn du auf deine Waschmaschine oder dein Wahlrecht verzichten müsstest- wie entscheidest du dich? Ein wichtiges, aktuelles, hochpolitisches Buch, das gleichzeitig auch spannend ist - ich wollte es garnicht mehr aus der Hand legen.
milkysilvermoon, 26.11.2017
Eine düstere Zukunftsvision
Braunschweig im Jahr 2025: Die Besorgte-Bürger-Bewegung hat die Wahlen gewonnen und beschließt ein Effizienzpaket nach dem anderen, das zulasten der Grundrechte geht. Das Bedingungslose Grundeinkommen wurde eingeführt. Viele haben sich mit den Umständen abgefunden und den Glauben an eine bessere Zukunft verloren. So auch Britta Söldner und ihr Geschäftspartner Babak Hamwi, beide desillusioniert und pragmatisch. In der Zeit der Perspektivenlosigkeit haben die beiden gemeinsam eine kleine Firma, „Die Brücke“, aufgebaut, die sie unter dem Deckmantel einer Heilpraxis betreiben. In Wahrheit floriert in den unscheinbaren Büroräumen aber das Geschäft mit dem Tod. Alles läuft gut, bis unliebsame Konkurrenz auftaucht. Britta und Babak setzen alles daran, die unbekannten Trittbrettfahrer skrupellos auszuschalten… Juli Zehs dystopischer Roman „Leere Herzen“ ist Polit- und Psychothriller zugleich. Meine Meinung: Erzählt wird die Geschichte in 29 Kapiteln, deren Länge ich als angenehm empfunden habe. Sprachlich konnte mich der Roman absolut überzeugen. Der flüssige Schreibstil wirkt zunächst einfach und nüchtern, ist aber auf den zweiten Blick wesentlich detailreicher und raffinierter. Schon ab dem ersten Kapitel war die Neugier auf die Geschichte geweckt und Spannung erzeugt, die dafür gesorgt hat, dass ich das Buch kaum zur Seite legen konnte. Das Bild, das von der nicht allzu ferner Zukunft gezeichnet wird, ist provokant und etwas überspitzt, aber grundsätzlich durchaus vorstellbar. Dabei geht es um heute schon aktuelle Themen. Immer wieder kommt die Kritik an der Gesellschaft und deren Politikverdrossenheit durch. Dadurch ist der Roman mehr als nur bloße Unterhaltung. Er hat mich sowohl zum Nachdenken angeregt als auch schockiert. Einen Spiegel will uns die Autorin vorhalten, denn schon ganz am Anfang heißt es: „Da. So seid ihr.“ Mit Britta dreht sich die Geschichte um eine interessante Hauptprotagonistin. Authentisch und facettenreich werden auch die Personen der Geschichte beschrieben. Dargestellt wird eine Generation, deren Herzen leer sind und die ihre Überzeugungen verloren. Sie gibt dem Roman den treffenden, ansprechenden Titel. Inhaltlich passend dazu ist auch das reduzierte Cover, das ich sehr gelungen finde. Mein Fazit: Mit „Leere Herzen“ ist Juli Zeh in mehrfacher Hinsicht ein sehr lesenswerter Roman gelungen, der mich absolut überzeugen konnte.
Starting2Read, 23.11.2017
Von leeren Herzen und den Bedrohungen der Demokratie.
Auf geschickte Weise verknüpft Juli Zeh ihre gesellschaftskritische, dystopische Zukunftsvision von Deutschland mit einem spannenden Polit-Thriller. Sie schreibt gewohnt schnörkel- und schonungslos, beleuchtet all die Makel und Fehler ihrer Figuren detailiert. Die Sprache ist schlicht und direkt, reich an Dialogen und im Vergleich zu beispielsweise Corpus Delicti oder Schilf arm an rhetorischen Mitteln – was jedoch zum hohen Tempo des Romanes beiträgt und die Vereinfachung politischer und gesellschaftlicher Zusammenhänge durch die BBB unterstreicht. Ihre Charaktere erscheinen nahbar und realistisch, ihre Handlungen nachvollziehbar. Und so gelingt es, Personen verletzlich erscheinen zu lassen, ohne sie zu romantisieren. Die Gesellschaft, die Juli Zeh entwickelt, ist unserer so nah und doch so fern. In einigen Teilen erinnert sie an Michel Houellebecqs Unterwerfung, in anderen an Forderungen von AfD und PEGIDA. Es ist illusorisch zu glauben, wir seien vor einer derartigen Entwicklung gefeit. Und das Ende der Sondierungsgespräche sowie die Möglichkeit von Neuwahlen haben zusätzlich dazu beigetragen, dieser düsteren Vision eine erschreckende Glaubhaftigkeit zu verleihen. Es scheint nicht ausgeschlossen, dass sich Deutschland auf genau diesem Weg befindet, den Juli Zeh gezeichnet hat. Und diese Tatsache macht den Reiz und die Schaurigkeit von Leere Herzen aus. Es ist das alte Spiel: Wie wichtig ist die Freiheit? Können wir in einer so übersättigten Zeit wie der unseren Freiheit überhaupt noch wertschätzen? Und wieviel Freiheit ist man bereit, für ein Mehr an Sicherheit aufzugeben? All das sind Fragen, die Politik und Philosophie seit jeher beschäftigen. Sie sind zentral für die Ausgestaltung des Gemeinwesens. Alexis de Tocqueville warnte bereits vor über zweihundert Jahren vor der Anfälligkeit der Demokratie, er misstraute der Masse, befürchtete, sie würde die Freiheit im Tausch für mehr Gleichheit oder mehr Sicherheit zu schnell abgeben. In Leere Herzen spricht Britta von einer Umfrage, „die Leute wurden gefragt, was sie tun würden, wenn sie sich zwischen dem Wahlrecht und ihrer Waschmaschine entscheiden müssten. […] Siebenundsechzig Prozent wählten die Waschmaschine. Fünfzehn Prozent waren unentschieden“ (S. 205). Diese apolitische, desinteressierte, passive Haltung ist charakteristisch für dieses Deutschland 2025. Die Menschen sind leer von Prinzipien und voll von Zynismus. In der Bevölkerung machen sich Politikverdrossenheit und Lethargie breit. Zwar ist es einerseits spannend und faszinierend, von einer Welt zu lesen, in welcher Politikverdrossenheit en vogue ist und politische Teilhabe ihren intrinsischen Wert verloren hat. Andererseits ist aber unglaublich erschreckend, weil sich all diese Gedankenspiele so nah an unserer Realität entlanghangeln. Denn wenn ich beispielsweise an meinen erweiterten Familien- und Freundeskreis denke, bin ich mir auf einmal gar nicht mehr so sicher, wer sich tatsächlich zugunsten des Wahlrechtes gegen eine eigene Waschmaschine entscheiden würde. Juli Zeh gelingt ein leidenschaftlicher Appell für Teilhabe, für demokratische Prinzipien, für Sinnsuche und Lebensfreude. Mittlerweile ist bekannt, wie zerbrechlich die Demokratie ist. Dieser Gedanke dominiert das von Juli Zeh erschaffene Deutschland 2025; der Leser wird Zeuge, wie der demokratische Staat schrittweise unterwandert und ausgehöhlt wird, ohne dass sich größerer Widerstand zu regen scheint. Beinahe wirkt es, als wolle Juli Zeh warnen und wachrütteln, und verpackt dies in die Geschichte von Britta und Babak, die sich im mittelgroßen, mittelmäßigen Braunschweig so durchwurschteln wollen, unter dem Radar fliegen und ja nicht auffallen, sich mit dem System arrangieren und glauben, irgendwie doch etwas Gutes zu tun. Vielleicht ist Leere Herzen ein Roman gewordener Aufruf zum Schutz der Demokratie – das Leseerlebnis stört dies, meines Erachtens nach, allerdings nicht. In vielen Punkten entspricht Leere Herzen genau meinem Geschmack: dystopische Gesellschaftskritik mit aktuellem Bezug wird mit einem fesselnden Polit-Thriller verknüpft. Das Erzähltempo ist hoch, das Buch kurzweilig, durchweg spannend und schnell zu lesen. Freilich entwirft Juli Zeh keine neue Welt und betritt auch keinen neuen Pfad, und dennoch stimmt ihr Thriller Leere Herzen nachdenklich und bietet reichlich Stoff zum Hinterfragen – es ist die Art von Buch, die einem auch nach dem Lesen noch lange durch den Kopf spukt. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen und kann es nur wärmstens weiterempfehlen!
Katharina, 20.11.2017
Leere Herzen von Juli Zeh
In Leere Herzen von Juli Zeh ist die Demokratie in Deutschland passé. Die „Besorgte-Bürger-Bewegung“ regiert das Land, die EU zerfällt, die Nato ebenfalls. Eine Zeit, in der das Unternehmen von Britta und ihrem Geschäftspartner Babak floriert. Es trägt den harmlosen Namen „Die Brücke“, scheint an Misanthropie und Perversion jedoch schwerlich zu überbieten zu sein: Das Projekt macht aus dem internationalen Terrorismus und seinen »amokartigen Aktionen« eine buchbare Dienstleistung. Per App, mit Hilfe eines Algorithmus‘, werden geeignete (sprich selbstmordgefährdete) Anwärter rekrutiert. Gezielte Auswahl, gezieltes Training, garantierter Erfolg. Mit diesem Geschäftsmodell – aus dem Zeh in Leere Herzen über weite Strecken ein Geheimnis macht – lässt sich gutes Geld verdienen. Full Hands Empty Hearts // It’s a Suicide World Britta führt ein gut funktionierendes Doppelleben. Nicht einmal ihr eigener Ehemann weiß, womit sie tatsächlich den Lebensunterhalt für sich und die gemeinsame Tochter verdient. Doch dann geschieht ein stümperhaftes Attentat, eine zwielichtige Figur taucht auf und Brittas Welt(bild) gerät ins Wanken. Juli Zeh zeichnet mit klarer, schnörkelloser Sprache das Bild eines dystopisches Deutschlands und im weiteren Sinne einer dystopischen Welt. Die leichte, wenig kunstvolle Sprache, die Zeh für Leere Herzen gewählt hat, verdoppelt das tiefgreifende Unbehagen, das den Leser zwangsläufig bei der Lektüre befällt. In einer vom rechten Populismus durchdrungenen Welt, in der Abgrenzung und Hass mehr als alles andere regieren, ist für Wortverliebtheit als bedeutender Teil der menschlichen Kultur kein Raum. Dem Roman vorangestellt sind die fett gedruckten Worte: Da. So seid ihr. Schaut hin, erkennt euch! Die Lektüre als Blick in den Spiegel? Sind wir so? So gleichgültig? So skrupellos? So manipulierbar? Und letztlich auch so leer im Herzen? Zehs Roman bewegt sich irgendwo zwischen Dystopie, Polit- und Psychothriller. Was ich an Juli Zehs Romanen schätze, ist ihr klarer, unverstellter Blick auf die Dinge und die Scharfsichtigkeit, mit der sie die Welt betrachtet. Eine Agentur, die potenzielle Selbstmordattentäter rekrutiert und vermittelt? Wie abwegig ist dieser Gedanke wirklich? Eine Regierung, die ihre Bürger um immer mehr Rechte bringt? Wie weit sind wir davon entfernt? Letztendlich ist Juli Zehs Roman ein leidenschaftliches Plädoyer für Freiheit und Vielfalt und gegen Nationalismus. Lesenswert!
Tamaru, 19.11.2017
Die Brücke
Es ist schwer zu diesem Buch eine Rezension zu schreiben ohne zuviel zu verraten. Die Geschichte spielt in der Zukunft im Jahr 2025. Eine Partei namens BBB hat die Macht übernommen und deshalb haben Britta und ihr Geschäftspartner Babak ein Unternehmen gegründet um dieses System zu bekämpfen. Was genau hinter dem Unternehmen steckt wissen weder Freunde noch Familie. Denn es ist ein Geschäft mit dem Tod das besser nicht an die Öffentlichkeit gerät. Doch wie das so ist mit lukrativen Geschäften, es ruft Neider und Gegner auf den Plan. Das müssen auch Britta und Babak erfahren. Plötzlich ist ihr eigenes Leben in Gefahr und sie müssen eine Entscheidung treffen, die nicht nur für sie Leben oder Tod bedeutet. Ich bin bei diesem Buch echt hin und hergerissen ob es mir gefällt oder eine nur eine total abstruse Story ist. Man möchte sich so ein Szenario gar nicht vorstellen, aber irgendwie schafft es die Autorin kleine Zweifel zu säen, so dass man es doch nicht ganz ausschließen kann. Wir wissen alle nicht was die politische Zukunft für uns bereit hält und in den letzten Jahren sind Dinge passiert, die ich auch nie für möglich gehalten hätte. Deshalb regt das Buch letztendlich doch zum Nachdenken an. Mit Britta und Babak habe ich gehadert. Wenn man erfährt was genau die Brücke ist und womit sie so viel Geld verdient haben, dreht sich einem der Magen um. Gegen Ende stellt sich dann ein Fünkchen Sympathie ein, aber das ändert nichts an meinem Gesamtbild der beiden. Als Freunde möchte ich sie nicht haben. Ganz überzeugt hat mich das Buch nicht, da es teilweise doch schon mal den Spannungsbogen verliert. Trotzdem finde ich dass es ein Buch ist das gelesen werden sollte da es zum Nachdenken anregt.
Ulrike, 17.11.2017
Empty Hearts
„….was eine demokratische Wahl wert ist, die massiv aus dem Internet gesteuert wird. Politische Meinung ist längst zur Ware geworden, produzierbar und verkäuflich. Demokratie ist nicht mehr so romantisch wie vor fünfzig Jahren….“ Deutschland in der nahen Zukunft. Die Besorgte-Bürger –Bewegung haben die Wahlen gewonnen, Angela Merkel musste zurücktreten. Sukzessive werden Effizienzpakete verabschiedet, die zu Lasten der Grundrechte gehen. Ein neues Biedermeier beginnt, die Menschen ziehen sich auf das Private zurück, das Wahlrecht verliert gegenüber der eigenen Bequemlichkeit immer weniger an Bedeutung. In diesen Zeiten der Perspektivenlosigkeit betreibt Britta gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Babak unter dem Tarnmantel einer Heilpraxis das dubiose Institut die Brücke. Ihre Klienten sind alle samt potentielle Selbstmörder mit der Bereitschaft für welchen Zweck auch immer Attentäter zu werden. Sauber, effizient und ohne Kollateralschäden. Die Geschäfte laufen gut, bis nach einem Anschlag unvermutet ein Konkurrenzunternehmen zu bestehen scheint. Juli Zeh schreibt auf gewohnte, meisterliche Weise, gekonnt legt sie den Fokus auf gar nicht mehr so sehr utopische politische Verhältnisse. Sie seziert präzise die kleine bürgerliche Welt der so sauberen Britta, die mit Mann und Tochter in ihrem Betonwürfel mit ihrem digitalen Haushalt lebt. Erst als ihre sorgfältige organisierte kleine Welt aus den Fugen gerät, zeigt sie Menschlichkeit, aber nicht aus Entsetzen über ihr eigenes Verhalten, sondern weil es ihrem Plan widerläuft. Die geniale Erzählkunst der Autorin führt einen atemlos durch die Geschichte, das hilft vor allem dabei zu übersehen, wie unglaublich die Konstruktion der Brücke eigentlich ist. Vermisst habe ich über weite Strecken die bösartige Ironie, die mir zum Beispiel aus ihrem vorherigen Roman Unterleuten so vertraut war. (Obwohl ich zumindest eine ganz besonders feine Anspielung auf Unterleuten erkannt habe) Ich hatte beim Lesen oft das Gefühl nicht genug abgeholt zu werden. Mitspielen mag dabei aber auch, dass mir das Thema der verlorenen Ideale, der Desillusion, der „full hands, empty hearts“ näher geht als mir lieb ist.
Lilli33, 15.11.2017
Erschreckendes Szenario, dabei gar nicht so weit hergeholt
Inhalt: Deutschland, 2025. Britta Söldner und ihr Partner Babak Hamwi betreiben offiziell eine Heilpraxis für Psychotherapie. Dabei haben sie nur selbstmordgefährdete Menschen im Visier. Von denen gibt es genug, denn viele empfinden ihr Leben in dieser Gesellschaft als sinnlos. Doch das Ziel von Britta und Babak ist es nicht, diese Menschen zu heilen, sondern mit ihrem Tod Geld zu verdienen. Das funktioniert auch sehr gut, bis sich jemand in das lukrative Geschäft einmischt und Britta und Babak plötzlich in Gefahr sind … Meine Meinung: Der Verlag deklariert Juli Zehs Buch einfach als Roman. Doch steckt auch ein bisschen Dystopie darin, ebenso wie ein Teil Politthriller und ein Teil Psychothriller. Ich denke, die Autorin will die politikverdrossenen Wähler bzw. Nichtwähler aufrütteln, indem sie aufzeigt, wohin es führen kann, wenn wir nicht alle Verantwortung für unsere Gesellschaft übernehmen. Im Buch musste zum Beispiel Angela Merkel ihren Posten Regula Freyer von der BBB (Besorgte BürgerBewegung) überlassen, die der Demokratie immer mehr zusetzt und die Freiheiten der Bürger einschränkt. Bei aller Gesellschaftskritik, die Juli Zeh vorbringt, empfinde ich aber keinen erhobenen Zeigefinger. Sie stellt einfach dar, was sein könnte. Mir gefiel die Erzählweise der Autorin sehr gut. Die Sprache ist klar, präzise und lebendig. Sie versteht es, eine bedrohliche Atmosphäre heraufzubeschwören und den Leser zu fesseln. Bereits auf den ersten Seiten, wo ein Familienidyll beschrieben wird, ahnt man schon, dass sich etwas zusammenbraut. Es ist eine unterschwellige Spannung zu spüren, die sich im Verlauf des Romans immer weiter steigert. Mir fiel es sehr schwer, das Buch aus der Hand zu legen. Dabei war mir die Protagonistin Britta alles andere als sympathisch. Sie wirkt zuweilen sehr kalt und abgeklärt, gleichzeitig aber auch etwas mitgenommen, sodass sie einem dann wieder leidtut. Trotzdem musste ich sie für ihren gelungenen Spagat zwischen heiler Welt mit ihrer Familie und ihrem illegalen beruflichen Tun bewundern. Sie ist eine vielschichtige Persönlichkeit, die ich sehr interessant fand. Auch Babak hat gleich mein Interesse geweckt. Er erscheint wesentlich umgänglicher als Britta, hat aber auch sein Päckchen zu tragen. Das Ende konnte mich überraschen, ist aber stimmig und rund, sodass ich das Buch zufrieden und nachdenklich zuschlagen konnte. Fazit: „Leere Herzen“ ist eine sehr gelungene und provokante Gesellschaftskritik, die in einer spannenden Handlung verpackt ist.
Gusaca, 05.11.2017
vorsicht spoiler
Britta Söldner lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Braunschweig und hat eine kleine Praxis für Psychotherapie. Dabei wird schnell klar, das diese Scheinfirma Geld mit den Selbstmordgedanken hoffnungslos radikalisierter MEnschen macht. Die Situation gerät außer Kontrolle als ein Konkurrent erscheint dessen Ziele zunächst sehr unklar bleiben. Die Autorin Juli Zeh hat eine zeitlich in naher Zukunft liegende Dystophie entwickelt, die leider gar nicht so unrealistisch wirkt. Die politsche Entwicklung liegt sehr nahe an der Realität, nur eben etwas weitergedacht. Die Menschen haben sich ins private zurückgezogen , gehen nicht mehr zur Wahl und überlassen den Politikern die Geschicke der Welt. Die innere Leere der Menschen wird mit dem im Buch immer wiederkehrenden Song -Full hands, empty Hearts, its a suicide World --immer wieder aufgegriffen. Der Schreibstil der Autorin ist genial. Zunächst wird dem LEser das scheinbar idyllische Privatleben der Protagonistin aufgezeigt, das durch ein Ereignis aufgerüttelt wird und deshalb langsam die beruflichen und politischen Hintergründe enthüllen läßt. Die innere ZErissenheit Brittas wird mit Verlauf der Handlung immer stärker und gipfelt am Ende in zunächst unerklärlichen Entscheidungen. Der Schreibstil ist detailliert, spannungsgeladen , Fragen aufwerfend und raffiniert. Trotz des intensiv zynischen und makaberen Aspektes konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Ich war einfach zu schockiert und auch neugierig. Erst am Ende erkennt man das ganze Ausmaß der GEsellschaftskritik und Demokratieverdrossenheit. Warum handelt Britta am Ende so und nicht anders? Hofft sie die MEnschen so aufzurütteln? Der LEser wird auf jeden FAll zum NAchdenken gebracht.
Buch-Lady, 05.03.2021
Packender Politroman, den man nicht mehr weglegen kann
Juli Zeh entwirft eine gar nicht so ferne Dystopie im Jahr 2025. Angela Merkel ist nicht mehr Kanzlerin. Vielmehr hat eine Gruppe namens BBB die Führung übernommen, eine Besorgte-Bürger-Bewegung. Deren Ziel ist die Effizienzsteigerung des Landes, z.B. durch weniger Verfassungsrichter und Enquete-Kommissionen. Britta lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Braunschweig, einer mittelgroßen Stadt ohne Metropolengewusel in einer praktischen Immobilie. Sie betreibt ein Unternehmen namens „Brücke“ zusammen mit ihrem Compagnon Babak. Es bietet Hilfe für selbstmordgefährdete Menschen an. Britta arbeitet viel und gern, sie mag ihr sauberes, durchgetaktetes Leben. Und vor allem ist sie froh, dass die meisten Dinge „sie nichts angehen“. Politik nimmt sie hin wie das Wetter. Sie belächelt ihre Freunde, die vom Leben auf dem Lande träumen und dort ein verfallenes Haus kaufen möchten. Britta verdient gut und liebt den Komfort. „An der Oberfläche, nicht im Untergrund liegen Gesundheit und Glück.“ (S. 155) Doch nach und nach wird Brittas Leben in Frage gestellt. „Du kapierst es nicht.“ Julietta nippt an ihrem Tee. „Nicht ich leide. Wir alle. Das ist das Problem. In einer Welt, in der sich die, denen es am besten geht, am beschissensten fühlen, ist etwas grundverkehrt.“ (S. 107) Brittas Privatleben und die gesellschaftliche Situation, die anfänglich nichts miteinander zu tun zu haben scheinen, verweben sich plötzlich zu einer Sinn- und Wertefrage, einer Gesellschaftskritik und der Frage, ab wann die Demokratie eigentlich gefährdet ist. Von Anfang an säht die Autorin ein leises Unbehagen, das immer stärker wird und sich schließlich zu einer thrillerartigen Spannung steigert. Wie gleichgültig darf der Einzelne sein, um das System nicht zu gefährden? Wie beliebig ist das Private? Wieviel innere Werte brauchen wir, um unsere Identität nicht zu verlieren? Die von der Autorin geschilderte Welt ist nicht sehr weit von der Realität entfernt, Ähnlichkeiten zu bestimmten Gruppierungen und Personen sind sicher nicht zufällig. Wir erkennen uns selbst und unsere Nachbarn, die sich gern mal raushalten oder über Verhältnisse meckern, ohne diese zu verändern. Wir alle kennen Menschen, die nicht mehr wählen gehen, weil sie sich nicht für Politik interessieren oder sich nichts davon erwarten. Diese abstrakt klingenden Sinnfragen verpackt Juli Zeh konkret und sehr geschickt in eine packende Handlung, die eine Sogwirkung entfaltet. Irgendwann musste ich einfach nur noch wissen, wie es ausgeht, ein echter Pageturner. Ich habe das Buch in einem Rutsch verschlungen. Ein sehr spannender Roman über Politikverdrossenheit und Gleichgültigkeit, am Puls der Zeit, den man nicht mehr weglegen kann.
Buecherseele79, 16.05.2019
Leere Herzen in einer leeren Gesellschaft
Britta Söldner und ihr bester Freund und Kollege Babak sind mit ihrem Projekt „Brücke“ sehr erfolgreich, die aktuelle politische Situation in Deutschland, ja auf der ganzen Welt, spielt ihnen perfekt in die Karten. Aber nicht mal die Freunde und Familie von ihnen wissen was sie mit ihrem Projekt wirklich erarbeiten oder unterstützen. Doch scheinbar weiß jetzt jemand Bescheid denn Menschen im näheren, geschäftlichen Umfeld von Britta und Babak werden ermordet, ein Einbruch in ihre Geschäftsräume findet statt und die neue Kandidatin Julietta ist beiden sehr suspekt.... doch sie müssen einander vertrauen denn jemand möchte die Demokratie in Deutschland endlich wieder herstellen... Dieses Buch in Worte zu fassen fällt mir wirklich sehr schwer denn ich persönlich finde dass die Autorin mit „Leere Herzen“ die aktuelle Situation in so vielen Bereichen im Leben nicht hätte besser darstellen können. Der Schreibstil konnte mich von Beginn an begeistern, mitnehmen, abholen und für sich einnehmen, auch wenn ich gerade am Anfang so keine Ahnung hatte wohin es eigentlich führen wird, denn große Informationen liegen nicht vor. Dieses Buch ist eine Mischung aus Roman und etwas Krimi, denn umso mehr man in die Geschichte hineinfindet umso spannender wird sie, umso mehr will man wissen und erfahren. Dies ist der Autorin perfekt gelungen. Dieses Buch spricht viele aktuelle, brisante Themen an, um sich in diesem Buch zu Recht zu finden sollte man sich für die aktuelle politische Lage in Deutschland, Europa, der ganzen Welt interessieren. Die Story fand ich so toll und doch war sie von dieser Leere ummantelt die ich ganz schwer in Worte fassen kann, man überlegt, man ist schockiert, bewegt und grübelt über sein eigenes Verhalten und seine eigenen Ansichten nach, und doch schafft es die Autorin ihren Titel in dieses Buch einfließen zu lassen, denn gerade die Protagonisten, aber auch viele Menschen die sich an „Die Brücke“ wenden fühlen sich innerlich leer, nicht wahrgenommen und möchten noch einmal etwas sinnvolles tun. Britta und Babak fand ich beide sehr interessant, unterschiedlich und doch als Freunde und Geschäftspartner ein tolles Team. Die Verwandlung und Ansichten von Britta fand ich persönlich unglaublich toll und realistisch dargestellt, auch wenn ich mit ihrer letzten Entscheidung am Ende der Geschichte doch hapere, aber das ist hier die Stärke, in meinen Augen, für dieses Buch, für die Demokratie, für die Meinungsfreiheit. Überhaupt kommt dieses Buch gerade zur richtigen Zeit, so kurz vor der Europawahl, wo viele Menschen unschlüssig sind und überlegen was sie machen sollen. Ein Buch welches berührt aber auch aufrüttelt und deutlich macht – Demokratie, Meinungsfreiheit und Freiheit sind Rechte die man nicht als selbstverständlich hinnehmen sollte und für die man eben jederzeit kämpfen muss. Ich kann dieses Buch nur und unbedingt empfehlen! Ich bedanke mich beim Randomhouse Verlag, dem Bloggerportal und dem btb Verlag für das Rezensionsexemplar.
Buecherseele79, 13.05.2019
Leere Herzen in einer leeren Gesellschaft
Britta Söldner und ihr bester Freund und Kollege Babak sind mit ihrem Projekt „Brücke“ sehr erfolgreich, die aktuelle politische Situation in Deutschland, ja auf der ganzen Welt, spielt ihnen perfekt in die Karten. Aber nicht mal die Freunde und Familie von ihnen wissen was sie mit ihrem Projekt wirklich erarbeiten oder unterstützen. Doch scheinbar weiß jetzt jemand Bescheid denn Menschen im näheren, geschäftlichen Umfeld von Britta und Babak werden ermordet, ein Einbruch in ihre Geschäftsräume findet statt und die neue Kandidatin Julietta ist beiden sehr suspekt.... doch sie müssen einander vertrauen denn jemand möchte die Demokratie in Deutschland endlich wieder herstellen... Dieses Buch in Worte zu fassen fällt mir wirklich sehr schwer denn ich persönlich finde dass die Autorin mit „Leere Herzen“ die aktuelle Situation in so vielen Bereichen im Leben nicht hätte besser darstellen können. Der Schreibstil konnte mich von Beginn an begeistern, mitnehmen, abholen und für sich einnehmen, auch wenn ich gerade am Anfang so keine Ahnung hatte wohin es eigentlich führen wird, denn große Informationen liegen nicht vor. Dieses Buch ist eine Mischung aus Roman und etwas Krimi, denn umso mehr man in die Geschichte hineinfindet umso spannender wird sie, umso mehr will man wissen und erfahren. Dies ist der Autorin perfekt gelungen. Dieses Buch spricht viele aktuelle, brisante Themen an, um sich in diesem Buch zu Recht zu finden sollte man sich für die aktuelle politische Lage in Deutschland, Europa, der ganzen Welt interessieren. Die Story fand ich so toll und doch war sie von dieser Leere ummantelt die ich ganz schwer in Worte fassen kann, man überlegt, man ist schockiert, bewegt und grübelt über sein eigenes Verhalten und seine eigenen Ansichten nach, und doch schafft es die Autorin ihren Titel in dieses Buch einfließen zu lassen, denn gerade die Protagonisten, aber auch viele Menschen die sich an „Die Brücke“ wenden fühlen sich innerlich leer, nicht wahrgenommen und möchten noch einmal etwas sinnvolles tun. Britta und Babak fand ich beide sehr interessant, unterschiedlich und doch als Freunde und Geschäftspartner ein tolles Team. Die Verwandlung und Ansichten von Britta fand ich persönlich unglaublich toll und realistisch dargestellt, auch wenn ich mit ihrer letzten Entscheidung am Ende der Geschichte doch hapere, aber das ist hier die Stärke, in meinen Augen, für dieses Buch, für die Demokratie, für die Meinungsfreiheit. Überhaupt kommt dieses Buch gerade zur richtigen Zeit, so kurz vor der Europawahl, wo viele Menschen unschlüssig sind und überlegen was sie machen sollen. Ein Buch welches berührt aber auch aufrüttelt und deutlich macht – Demokratie, Meinungsfreiheit und Freiheit sind Rechte die man nicht als selbstverständlich hinnehmen sollte und für die man eben jederzeit kämpfen muss. Ich kann dieses Buch nur und unbedingt empfehlen!
BücherweltenBummlerin, 13.04.2018
Leere Herzen
Stellt euch eine Welt vor wie unsere – nur später, also wie sie aussehen würde, wenn alles weiter verläuft, wie es gerade läuft. Diese Welt mag für jeden anders aussehen, je nachdem welche Dinge man als schwerwiegend, positiv oder auch negativ gewichtet. Juli Zeh hat eine solche Welt geschaffen, aus der man deutliche Kritik am heutigen Deutschland herauslesen kann. Deutschland bedeutet in diesem Sinne nicht nur unsere Politik, sondern auch wir Bürger! Zum Inhalt: Sie sind desillusioniert und pragmatisch, und wohl gerade deshalb haben sie sich ‎erfolgreich in der Gesellschaft eingerichtet: Britta Söldner und ihr Geschäftspartner Babak Hamwi. Sie haben sich damit abgefunden, wie die Welt beschaffen ist, und wollen nicht länger verantwortlich sein für das, was schief läuft. Stattdessen haben sie gemeinsam eine kleine Firma aufgezogen, „Die Brücke“, die sie beide reich gemacht hat. Was genau hinter der „Brücke“ steckt, weiß glücklicherweise niemand so genau. Denn hinter der Fassade ihrer unscheinbaren Büroräume betreiben Britta und Babak ein lukratives Geschäft mit dem Tod. Als die „Brücke “ unliebsame Konkurrenz zu bekommen droht, setzt Britta alles daran, die unbekannten Trittbrettfahrer auszuschalten. Doch sie hat ihre Gegner unterschätzt. Bald sind nicht nur Brittas und Babaks Firma, sondern auch beider Leben in Gefahr… Meine Meinung: Die ersten Kapitel fielen mir zugegeben etwas schwer. Ich musste erst noch heraus finden, was diese Welt genau ausmacht, in der Britta lebt. Am Anfang wird ein Selbstmordattentat in den Medien thematisiert, worauf Britta eigenartig und nicht wie man es erwarten würde reagiert. Später wird bewusst, warum. Sobald die skurrile Geschäftsidee von Britte und Babak erleuchtet wird, kommt auch Licht in die ganze Geschichte. Das Buch fing an mich in seinen Bann zu reißen und davon kam ich nicht mehr los. Zwischendurch musste ich mal schmunzeln und mal laut lachen über Juli Zehs kreierte Zukunft, die in unseren Augen vielleicht absurd sein mag, bei genauerer Betrachtung vielleicht doch nicht mehr so abwegig erscheint. Es war mein erstes Buch von Zeh, wird aber definitiv nicht das letzte bleiben. Hier habe ich, wenn auch etwas später als andere, eine tolle deutsche Autorin entdeckt! 9. Satz: Aber das ist normal, es geht ihnen allen so, der ganzen Armee von Einzelkindereltern. Kurz und knapp: #Gesellschaftskritik #Attentat #Zukunft #Deutschland
Nicoles Bücherwelt, 21.11.2017
Spannend und außergewöhnlich
Von leeren Herzen und einer veränderten Welt… Deutschland, einige Jahre in der Zukunft: Die Freunde und Geschäftspartner Britta Söldner und Babak Hamwi haben sich schon lange damit abgefunden, dass sich die Welt stark verändert hat, vorallem im politischen Bereich. Sie wollen nicht mehr für das verantwortlich sein, was schief läuft. So haben sie vor einiger Zeit ein Unternehmen namens „Die Brücke“ gegründet und sind damit sehr erfolgreich. Nach außen hin als Heilpraxis für Psychotherapie getarnt, verbirgt sich jedoch etwas ganz anderes hinter den unscheinbaren Büroräumen – ein Geschäft mit dem Tod. Doch plötzlich taucht unliebsame Konkurrenz auf. Britta versucht sofort, diese aufzuspüren und zu verdrängen. Doch alles läuft anders: Merkwürdiges geht vor, sie fühlt sich plötzlich verfolgt. Noch ahnt Britta nicht, dass sie mit ihren Plänen nicht nur ihr Unternehmen, sondern auch ihr Leben und das von Babak aufs Spiel setzt… „Sie blickten sich mit derart unterschiedlichem Ausdruck an, Hatz freundlich und erwartungsvoll, Britta schwankend zwischen Angst und Wut, dass es ein Wunder ist, dass sie einander überhaupt sehen können.“ – Seite 100, eBook Nachdem mir der außergewöhnliche Roman „Unterleuten“ von Juli Zeh schon so gut gefallen hatte, war ich dementsprechend gespannt auf ihr neuestes Werk – und dieses hat wieder einiges vereint: Zum einen ein spannender Polit-Thriller, zum anderen aber auch ein gesellschaftskritischer Roman mit beunruhigenden Zukunftsvisionen. Der Roman liest sich sehr gut – zuerst lernt man die Hauptfigur Britta kennen – wie sie zusammen mit ihrer Familie lebt, wie sie denkt und wie sie ihren Geschäftspartner Babak kennen gelernt hat. Und dann erfährt man natürlich, was sich genau hinter dem Unternehmen „Die Brücke“ verbirgt und womit die beiden ihr Geld verdienen – dieses ist ziemlich überraschend, sehr erschreckend und überhaupt nicht vorhersehbar. Und dann taucht auch noch unerwartet Konkurrenz auf, die vernichtet werden muss… Die Handlung spielt einige Jahre in der Zukunft und gibt einen eher unheimlichen Ausblick dahin – die Autorin hat ein eher beängstigendes Szenario mit verschiedenen Situationen und Geschehnissen detailliert dargestellt – wahrscheinlich liest sich dieses Buch deshalb so spannend wie ein Thriller. Gerade dieses absolut außergewöhnliche ist ihr wieder sehr gut gelungen. Jedoch bleiben hier trotz gutem Schreibstil meiner Meinung nach die einzelnen Charaktere etwas auf der Strecke. Auch wenn man Britta zu Anfang gut kennen lernt, bleiben die anderen Figuren eher blass – hier hätte ich mir etwas mehr Tiefe gewünscht. Das Cover gefällt mir mit seiner Schlichtheit sehr gut – was sich hinter dem Titel und den Punkten verbirgt, bleibt daher erstmal ein Geheimnis – doch mehr darüber erfährt man im Laufe des Romans. Sehr gut gemacht. „Babak ist aufgestanden und schaut aus dem Fenster, wo die Laternen der Fußgängerzone die Nacht beim Dunkelsein stören.“ – Seite 159. eBook Mein Fazit: Ein Buch, das mit einer sehr außergewöhnlichen Handlung und einem wirklich guten Schreibstil überzeugt. Spannend wie ein Thriller mit erschreckenden Entwicklungen, gleichzeitig aber auch ein gesellschaftskritischer Roman mit einer eher düsteren Zukunftsvision und einem „Was wäre wenn“ -Szenario, was unheimlich interessant zu lesen ist. Nur bei den Charakteren hätte ich mir etas mehr Tiefe gewünscht. Ansonsten kann ich dieses Buch aber empfehlen – es ist wirklich überraschend!

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